Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive
auch nicht. Und deine drei regelmäßigen Kommentatoren haben sich ja schon geäußert.
Tatsächlich stammt der neue Kommentar von ANONYMER USER, ist also nicht namentlich gezeichnet. Er kam heute Morgen um zehn. Eine harmlose, nicht weiter auffällige Uhrzeit, aber wenn du die Zeitzone Kaliforniens zugrunde legst, wird daraus ein Uhr nachts. Um ein Uhr nachts war er also im Netz, hat deinen Blog gelesen und an dich gedacht. Und diesmal hat er dir geschrieben.
Du klickst darauf und liest mit angehaltenem Atem.
Tiziana, schön, dich im Nez zu lesen.
Genau so, kurz und ehrlich, mit diesem »z«, das du richtig rührend findest.
Dabei kannst du Rechtschreibfehler nicht ausstehen und Verkürzungen auch nicht. Einmal hast du den Bekannten einer Freundin kennengelernt, den du im ersten Moment gar nicht so übel fandest, aber die erste E-Mail, die er dir geschickt hat, war Willkommen im Kaosklub . Kaos. Mein Gott, so was schreiben nicht mal Mittelschüler. Und der Typ war vierzig. Glaubt er, dass er jünger wirkt, wenn er »K« statt »Ch« schreibt? Nein, das macht ihn nur noch dümmer. Du und deine Freundin, ihr habt ihn sofort »den Kaoten« getauft, und er war für dich gestorben.
Aber dieses Nez ist etwas anderes, es ist der liebenswerte Rechtschreibfehler eines Ausländers, der sich wahrscheinlich mächtig angestrengt hat, um diesen Satz hinzukriegen.
Du liest ihn noch einmal, lächelst. Flüsterst es in der Leere des Lagerschuppens vor dich hin.
»Nez.«
Und lächelst.
EIN ZUNGENKUSS IM LUFTLEEREN RAUM
Vier Jahre haben wir diesen Anrufbeantworter jetzt, und zum ersten Mal ist eine Nachricht auf dem Band. Noch dazu von einer Frau.
Eine super Nachricht: Die Jugendinfo Muglione sucht mich per Vor- und Zunamen und bittet um ein Gespräch. Phänomenal. Irgendjemand von denen muss also bei dem Festival in Pontedera dabei gewesen sein, das blamable Schauspiel dieses idiotischen Publikums miterlebt und gemerkt haben, dass Metal Devastation eine ernstzunehmende Band ist. Wer weiß, vielleicht organisieren sie ein Festival hier im Ort. Oder ein Konzert ganz allein für uns. Vielleicht haben sie begriffen, dass sie auf uns setzen müssen, wenn sie Muglione in der Welt bekannt machen wollen: auf eine Spitzenband, die durch einen Irrtum des Schicksals hier und nicht in Los Angeles das Licht der Welt erblickt hat.
Klar, wenn man pessimistisch drauf ist, könnte es auch sein, dass sie mich wegen der Geschichte mit den Kätzchen suchen. Vielleicht hat mich jemand erkannt, als ich letztes Mal welche zur Jugendinfo gebracht habe, und jetzt wollen sie mir den Kopf waschen. Aber das glaube ich eigentlich nicht. Denn erstens war es dunkel. Zweitens bringen alle ihre neugeborenen Kätzchen in diesen Hof. Und drittens ist Metal Devastation einfach der Hammer. Früher oder später musste das ja jemand merken.
Es ist nicht weit bis zum Büro, drei Querstraßen, dann bin ich da. An jeder Kreuzung steht ein Alter allein an einer Ecke, an der letzten Kreuzung sind es zwei. Die üblichen Alten, die ich kenne, seit ich auf der Welt bin, aber ich weiß weder, wie sie heißen, noch was sie in ihrem Leben gemacht haben. Vor allem aber weiß ich nicht, was sie jetzt an diesen Straßenecken machen, wo sie mit den Händen in den Hosentaschen rumstehen und dich anglotzen, wenn du an ihnen vorbeigehst.
Jeder von ihnen hat ein Notizheft und einen Stift und trägt eine grüne Gürteltasche um den Bauch mit einem Elch oder einem Hirsch oder so was drauf. Und als ich in der Jugendinfo ankomme, stehen vor dem Eingang noch mal drei, auch mit solchen Gürteltaschen. Einer von ihnen ist der, der Fernsehgeräte repariert hat, und Mazinga ist auch dabei. Aber er tut so, als würde er mich nicht kennen, da werde ich ihn doch nicht grüßen. Ich gehe an ihnen vorbei und verziehe den Mund zu einem breiten Grinsen, als wollte ich sagen Ihr seid mir scheißegal, zur Hölle mit euch . Dann geh ich rein.
Im ersten Moment sehe ich gar nichts. Mein Gott, ist das dunkel. Draußen scheint die Sonne, hier drin ist tiefe Nacht. Der Raum hat nicht mal ein Fenster, und die feuchte Luft reizt zum Husten. Es ist anders als in der Kammer mit den Fischködern, aber auch hier hat man das Gefühl, in einem Grab zu sein.
»Guten Tag«, höre ich. Eine Frauenstimme. Sympathisch.
Drei runde Tische, ein paar Zeitungen und Poster von der Toskana, ein riesiger blauer Sessel und weiter hinten ein Schreibtisch, an dem jemand sitzt.
»Kann ich dir irgendwie
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