Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive
Miene. Ich grinse ihn breit an, die Alten gehen kopfschüttelnd raus und notieren sich etwas auf ihre Blöcke.
Die Schöne und ich sind wieder allein in diesem Grab, und jetzt schweigen wir eine Weile. Ich nutze die Gelegenheit, sie mir genauer anzuschauen, wie sie jetzt so vor mir steht … Hüften, Beine, Arsch – der Datenscan für heute Nacht ist abgeschlossen.
Du bist instinktiv aufgesprungen, aber jetzt stehst du da und weißt nicht, was du tun sollst. Du fummelst an deiner Sandale herum, nur um irgendetwas zu machen, und setzt dich wieder. Bei dem Überfall der drei Alten vorhin schlug dir das Herz bis zum Hals. Du kannst nur hoffen, dass sie nichts gehört haben. Du bist hier allein mit einem Jungen, der halb so alt ist wie du, und sagst Wörter wie Schwein , Orgien , Nymphomanin .
Du rutschst auf dem Stuhl herum und versuchst, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen.
»Also noch mal, du hast ihm also gesagt, dass Der Regen im Pinienhain von einem handelt, der mit einer ins Bett gehen will.«
»Ja, ich glaube, ja. Stimmt doch auch.«
»Das seh ich anders, aber das ist hier gar nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass du das alles zu einem Minderjährigen gesagt hast, der in solchen Dingen völlig unbedarft ist.«
»Ist es etwa meine Schuld, wenn er pennt? Er ist fünfzehn, andere in seinem Alter dealen mit Heroin.«
»Das ist hier nicht unser Problem, wir …«
»Sicher, lassen wir die ernsten Probleme beiseite, die Gesellschaft bricht auseinander, aber das ist nicht unser Problem, o nein. Wir müssen ein Schwein verteidigen, das in ein Pinienwäldchen geht, um zu bumsen!«
»Ich bitte dich, sprich leise. Mir geht es um einen etwas naiven Jungen und einen Volljährigen, der ihm abstruse Sexgeschichten erzählt.«
»Es ist nicht abstrus, es ist wahr! Und außerdem, hör zu … Hören Sie zu, dieser Junge ist kein bisschen naiv, das kannst du mir glauben … Das können Sie mir glauben … Was soll das mit diesem ›Sie‹, wollen wir uns nicht duzen?«
Ganz kurz bist du versucht, Nein zu sagen. Nein, zum Teufel, was bildet der sich eigentlich ein, das ist nur ein dummer Junge, der sich für besonders clever hält. Nein, er darf dich nicht duzen, und er darf nicht mal einem Affen Nachhilfe erteilen, geschweige denn einem Kind, das ohnehin Probleme hat.
Aber du antwortest nicht, und er deutet dein Schweigen als Zustimmung.
»Gott sei Dank, dieses Siezen krieg ich sowieso nicht hin. Im Englischen gibt es kein ›Sie‹, alle duzen sich. Wusstest du das?«
»Klar weiß ich das.«
»Tolle Sprache, Englisch, hm?«
»Da muss ich dir recht geben.«
»Kannst du’s?«
»Ich habe lange im Ausland gelebt, ich spreche ganz gut Englisch, ja.«
»Im Ausland? Und wo?«
»London, Zürich, aber vor allem Berlin.«
»Wahnsinn! Und wo kommst du her?«
»Also, das ist im Moment ja wohl nicht unser Problem …«
»Schon gut, schon gut, aber sag schon, wo kommst du her?«
»Ich bin hier geboren.«
»Nein! Hier in Muglione? Also, du bist aus Muglione und bist so weit herumgekommen? Mann, das ist echt gut zu wissen, das gibt mir Hoffnung.«
»Hoffnung?«
»Na klar, und wie. Wenn ich mich hier umschaue, hab ich das Gefühl, ich sitze in der Falle. Ja, wirklich, denn alles, was mir Spaß macht, das kennen die hier nicht mal dem Namen nach. Und wenn ich mir die Leute so anschaue, krieg ich eine Stinkwut, weil sie sich für nichts interessieren, und das zieht mich völlig runter. Ich red gar nicht von den Alten. Die Alten kann ich sogar ein bisschen verstehen. Ich meine die Jungen, die in meinem Alter. Die sind doch wie ferngesteuert, verdammt. Wie können die so seelenruhig in dieser Trostlosigkeit leben? Ich weiß nicht, ob du verstehst, was ich meine …«
»Ich versteh dich sogar sehr gut«, sagst du. Auf dem Schreibtisch liegen Fotokopien, du senkst den Blick und greifst danach, nur um deine Hände zu beschäftigen.
»Also, du sprichst perfekt Englisch. Sonst noch irgendwelche Sprachen?«
»Ja, schon.«
»Und welche.«
»Vor allem Deutsch, dann Französisch und auch ein bisschen Japanisch.«
»Nein, ich fass es nicht! Ist ja phänomenal. Ja, wirklich, ich schwör’s, du gibst mir Hoffnung. Darf ich dir das sagen? Du gibst mir Hoffnung. Darf ich mich vorstellen, Fiorenzo.«
»Freut mich, Tiziana.« Du lässt die Fotokopien los und streckst die Hand aus. Aber er nimmt sie mit seiner Linken, drückt sie und lehnt sich dann wieder auf seinem Stuhl zurück. Komisch, denkst du. Vielleicht ist das
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