Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive
sind?«
»Nicht so ganz.«
»Das sind eine Menge Leute, die miteinander Sex haben, jeder mit jedem.«
Der Blödmann sagt nichts, die Augen fallen ihm fast aus dem Kopf, und ich kann förmlich in sein Gehirn sehen. Und da drin tummeln sich Leute, die alle ineinander verschlungen sind und schwitzen und sich winden und wer weiß was sonst noch alles. Mit jemandem über Sex zu reden, der davon noch weniger Ahnung hat als ich, kommt nicht alle Tage vor, und es fühlt sich gut an.
»Aber diese Sache mit den Orgien, kann ich das der Lehrerin sagen?«
»Soll das ein Witz sein? Du musst es ihr sagen.«
»Ich … Ich schäme mich nämlich ein bisschen.«
»Wieso schämst du dich, das ist die reine Wahrheit! Und außerdem bleibt dir gar nichts anderes übrig, denn das ist nun mal der Inhalt vom Regen im Pinienhain . Er und sie gehen zum Bumsen in den Pinienhain, aber es fängt an zu regnen, und sie will wieder nach Hause. Daraufhin fängt er an, über die Musik des Regens und die glücklichen Tierchen zu quasseln und dass sie eine zauberhafte Nymphe ist. Auf die Weise hofft er, dass sie ihn trotzdem ranlässt.«
»Eine Nymphe?«
»Ja, Nymphen waren Göttinnen, die in den Wäldern lebten. Du weißt aber auch gar nichts! Und er sagt ihr ja auch nicht ohne Grund, dass sie eine Nymphe ist, damit will er andeuten, dass sie eine Nymphomanin ist, kapiert?«
»Nicht so richtig.«
»Macht nichts, wichtig ist, dass du diese Dinge der Lehrerin erzählst. Das ist alles.«
Der kleine Champion nickt, dann nimmt er seinen Füllfederhalter und schreibt NYMPHOMANIN auf das leere Blatt. Er liest es noch einmal, dabei macht er ein Gesicht, als sähe er das Wort zum ersten Mal.
»Die Lehrerin hat uns all diese Sachen überhaupt nicht gesagt.«
»Die hat eben keine Ahnung! Die Mittelschullehrer sind doch alle Flaschen, sie wollten eigentlich am Gymnasium unterrichten, haben es aber nicht geschafft. Und die Gymnasiallehrer genauso, weil sie eigentlich an die Uni wollten. Alles gescheiterte Existenzen, und bei wem lassen sie deiner Ansicht nach ihren Frust raus?«
Der kleine Champion guckt mich an, nimmt den Zeigefinger vom Buch und deutet auf seine Brust.
»Bravo, das hast du also verstanden. Und wenn du beim Abfragen diese Sachen hier sagst, zeigst du, dass du das Thema selbstständig vertieft hast, und kriegst eine gute Note, kapiert? Und wenn du nicht glaubst, was ich dir erzähle, liest du einfach irgendeine Stelle daraus, egal welche.«
»Ich soll lesen?«
»Ja.«
»Hier?«
»Egal.«
»Ist das hier in Ordnung?«
»Ja, verdammt, lies schon!«
»Es regnet auf die göttlichen Myrten, die leuchtenden Ginsterbüsche und die … hingegebenen Blüten, … den Wacholder voll … praller? praller, duftender Beeren. Es regnet auf unsere waldesgleichen Gesichter. Es regnet auf unsere nackten Hände … auf unsere leichten Klei… Kleider, auf die frischen Gedanken, die das enthemmte Herz …«
»So, das reicht. Hast du’s verstanden?«
»Ein bisschen.«
»Ein bisschen wie viel.«
»Wahrscheinlich nichts, Signore.«
»Na eben. Ist das deiner Meinung nach einer, der normal redet? Nein, das ist einer, der versucht, eine Frau flachzulegen, verstanden?«
»Ja, aber …«
»Aber was.«
»Nein, nichts, Verzeihung.«
»Nein, sag nur, ich bin neugierig.«
»Na ja, hier heißt es doch, sie haben Kleider an.«
»Na und?«
»Waren sie nicht nackt?«
»Na schön, leichte Kleider dann eben, so was wie ein Schleier, ein Wickeltuch. Wenn du auf der Straße eine nackte Frau siehst, die einen Schleier trägt, ist die dann etwa nicht nackt?«
»Doch.«
»Und schaust du ihr etwa nicht nach?«
»Kann sein.«
»Na siehst du. Dann denk erst mal nach, bevor du redest.«
»Ja …«
»Ganz genau, ja .«
Dann Schweigen. Er malt einen Pfeil neben die Verse, die er gelesen hat, schreibt dazu FLACHLEGEN, dann schaut er mich an. Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll. Es ist ganz still, nur draußen fährt ab und zu ein Auto vorbei. Ich hab ihn um zwei kommen lassen, weil um halb vier der Laden aufmacht. Jetzt ist es Viertel nach zwei, und von mir aus können wir’s dabei belassen.
»Na gut, ich denke, für heute reicht es erst mal, oder?«
Er schaut mich an und sagt nichts, zieht aber eine Fresse, die nicht sehr überzeugt wirkt. Tatsächlich ist er ja gerade erst gekommen, aber ich weiß nicht, was ich noch sagen soll. Mein Ziel hab ich schließlich erreicht: Wenn er drankommt, ist er erledigt. Mehr will ich gar nicht.
»Na
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