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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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Ereignisse, die sich nun mal gern überschlagen. Eine Woche vergeht, ohne dass sich irgendetwas tut, dann plötzlich überstürzen sich die Dinge innerhalb weniger Stunden, und anschließend kehrt wieder Ruhe ein. So war es bisher immer in deinem Leben, auf ereignislose Tage folgen Tage unter vollem Beschuss, mal Stille, mal Feuer, Stille und Feuer. Wie bei einem Stellungskrieg.
    Heute hast du mit dem kleinen Champion aus dem Molise wieder Englisch gebüffelt, und am Ende der Stunde hast du ihm angeboten, noch ein anderes Fach mit ihm zu wiederholen.
    Aber er meinte nur Nein danke , er habe einen Italienischlehrer gefunden. Genau das hat er gesagt, einen Lehrer . Er habe auch heute zu ihm gehen wollen, aber der Lehrer sei nicht da gewesen, und dann hast du ihn überredet zu wiederholen, was er über D’Annunzio gelernt hat, weil der Stoff morgen in der Schule drankommt.
    Er hat angefangen, auswendig gelernte Sätze herunterzuleiern, gelangweilt wie jemand, der die größten Selbstverständlichkeiten von sich gibt:
    »D’Annunzio war sexbesessen, er lief die ganze Zeit nackt herum und feierte Orgien mit Frauen und Männern. Er hat jede Menge Gedichte geschrieben, aber sein berühmtestes ist Der Regen im Pinienhain . Es handelt davon, dass er mit einer Frau in einen Wald geht, um Sex zu haben, aber dann fängt es an zu regnen, und sie will wieder weg. Damit sie bleibt, versucht er sie mit irgendwelchem Gefasel einzuwickeln und spricht von der wunderbaren Musik des Regens und dass sie eine Nymphomanin ist, und dann ziehen sie ihre leichten Kleider aus und machen Sex.«
    Alles hintereinander weg, mechanisch und tonlos. So ähnlich wie du in der Grundschule, als zum Besuch des Bürgermeisters alle Erstklässler eine kurze Selbstpräsentation vorbereiten und auswendig lernen mussten. Ich heiße Tiziana Cosci, bin am 6. November 1977 geboren und wohne in Muglione . Oder vielmehr Ichheißetizianacoscibinam6.november1977geborenundwohne inmuglione.
    Mirko spricht im selben Tonfall wie du damals, nur dass der Bürgermeister sofort die Jugendfürsorge einschalten und die Polizei holen würde, wenn ihm diese Worte zu Ohren kämen. Und wenn die Italienischlehrerin so etwas hören würde, könnte Mirko die Prüfung gleich vergessen.
    »Was redest du da für Zeug, Mirko … wie kommst du denn auf so was?«
    »Was für Zeug?«
    »Na, was du mir gerade erzählt hast.«
    »Das ist D’Annunzio, kennen Sie den nicht?«
    »Aber was ist das für ein Unsinn, wer hat dir das beigebracht?«
    »Mein Italienischlehrer.«
    »Das sind völlig absurde Dinge, das ist …«
    »Ich weiß, diese Sachen bringen einem die Lehrer in der Schule nicht bei, weil sie keine Lust dazu haben.«
    »Hat dir das auch dein Lehrer gesagt?«
    Mirko nickt, dann schaut er dich ausdruckslos an, klappt das Englischbuch zu und steht auf.
    Du bittest ihn um die Nummer dieses Lehrers, aber er kennt sie nicht. Du fragst, wo er wohnt. Er ist im Laden Magic Fishing zu erreichen, also rufst du dort an.
    Der Anrufbeantworter ist eingeschaltet. Wer benutzt heutzutage noch einen Anrufbeantworter? Außerdem versteht man kein Wort, die Ansage ertrinkt in einem Schwall hardcoremäßiger Heavy-Metal-Musik. »Hallo, wir sind … nicht zu Hause … bitte hinterlassen Sie eine …« Und selbst das kannst du nur erahnen, weil im Vordergrund eine wild gewordene Gitarre jault und jemand brüllt, als würde ihm bei lebendigem Leib die Haut abgezogen: »See you in heeeeeeeeellllllll … Beep.«
    »Guten Tag, ähm, ich bin Tiziana Cosci vom Jugendinformationszentrum. Ich bin dringend auf der Suche nach Fiorenzo Marelli. Meine Büronummer lautet …«
    Dann hast du dich von Mirko verabschiedet, diesem Tollpatsch, der im Vorbeigehen gegen den geliehenen Massagesessel gestoßen ist, und dann ist auch noch seine Plastiktüte gerissen, und die Bücher sind auf den Boden gefallen. Du hast ihm eine neue Tüte gegeben und ciao.
    Im Büro kehrt Stille ein, wirkliche Stille. Neuerdings, seit die Alten immer draußen im Freien herumstehen, erinnert der Raum in beunruhigender Weise an den Lagerschuppen, der er einmal war. Und wenn das so weitergeht, wird er bald wieder einer sein.
    Du bewegst die Maus, der Computer erwacht, der Bildschirm leuchtet auf. Aber in deinem Kopf spukt nur das Bild des nackten D’Annunzio im Pinienhain herum, der eine Frau als Nymphomanin bezeichnet.
    Du rufst deinen Blog auf, ein neuer Kommentar ist gekommen. Du hast nichts Neues geschrieben, heute nicht und gestern

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