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Fischer, wie tief ist das Wasser

Fischer, wie tief ist das Wasser

Titel: Fischer, wie tief ist das Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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diese Gesa. Sie klang schaurig. Mein Gott, was ist nur passiert?»
    Ich spürte, wie sich die Angst von einer Sekunde auf die andere in mir ausbreitete. «Was hat sie gesagt?»
    «Sie hat nicht aus eigenen Stücken angerufen, sie sollte eine Botschaft überbringen. Eine Botschaft, die ich dir ausrichten soll, Okka. Dem Kind wird etwas zustoßen, wenn du nicht vorsichtig bist, hörst du?»
    Das kleine bisschen Optimismus, ich würde die Sache schon irgendwie in den Griff bekommen, war nur ein trügerisches Gefühl gewesen. Ich hatte vergessen, dass ich Gegner hatte, wirkliche Gegner. Menschen, die mit der Intelligenz spielten und Herren und Meister über die Köpfe zahlreicher Menschen waren. Gesa war ihr Trumpf, ihre Sicherheit.
    «Verdammt, Papa, was soll ich nur tun? Mein Gott, alles liegt in meinen Händen, ich pack das nicht!» Ich versuchte, die Panik zu bekämpfen. Es hatte keinen Zweck, wenn ich jetzt aufgab, ich musste dranbleiben!
    «Du allein vielleicht nicht, aber wir zusammen packen das», sagte mein Vater, und dies waren die einzigen Worte, die ich in diesem Moment brauchte. Sie stärkten mich. Er hielt zu mir, ich war nicht allein und ich konnte mich auf ihn verlassen. Gott sei Dank!
    «Pass auf, Okka, es gibt noch eine Menge, was du wissen solltest. Ben hat inzwischen schon ein paar Mal angerufen, er hat eine Menge herausgefunden, was diese ‹inPharm AG› angeht. Das Zeug, an dem sie gerade herumbasteln, heißt Rytephamol-B, es scheint ein Teufelszeug zu sein, das Einfluss auf die Leistungsfähigkeit kindlicher Gehirne nimmt. Mein Gott, wenn das stimmt, dann haben wir es hier mit verdammt viel Geld und verdammt viel Skrupellosigkeit zu tun. Wir müssen uns unbedingt treffen, am besten sofort. Wo steckst du überhaupt?»
    «Ich bin auf Juist.»
    «Auf Juist? Was machst du denn um Himmels willen auf einer Insel? Ein ungeschickteres Versteck hättest du dir wirklich nicht   …»
    «Reg dich ab, Papa, ich bin hier bei Freunden», ich zwinkerte Henk und Malin zu, obwohl ich noch immer ganz benommen war vor Angst. «Hier wird mich keiner vermuten. Und außer dir und den beiden hier weiß niemand, wo ich stecke.»
    Er atmete hektisch in den Hörer. «Aber morgen kommst du rüber, hast du gehört! Ich werde dich vom Hafen abholen, oder warte, nein, wer weiß, ob sie mich nicht beschatten   …»
    «Beschatten? Mein Gott, Papa, meinst du wirklich, die gehen so weit und   …»
    «Was glaubst du denn? Dass wir uns hier mit ein paar Taschendieben eingelassen haben? O nein, dahinter steckt ein Riesenhaufen skrupelloser Saftärsche, wenn du mich fragst. Ich werde dir ein Taxi rufen oder mich sonst wie darum kümmern, dassdu abgeholt wirst. Dann treffen wir uns irgendwo, wenn ich sicher bin, dass mir keiner gefolgt ist, und dann werden wir den Verbrechern eine Lektion erteilen, du und ich. Mir fällt schon was ein, Okka, verlass dich auf mich!»
    So machen wir es, dachte ich. Wir hatten weiß Gott nicht viele Möglichkeiten, etwas zu unternehmen, Dr.   Schewe, Prof.   Isken und die Leute hinter ihnen hatten Gesa und damit hatten sie uns in der Hand. Doch es war wichtig, dass Henk zu einem Arzt kam. Und es war wichtig, dass endlich etwas passierte.
    «Papa?», sagte ich kurz. «Danke!» Dann legte ich auf.
    Malin und Henk saßen neben mir auf der schmalen Holzbank und wir begannen, den morgigen Tag generalstabsmäßig zu planen, als ginge es um eine Flucht. Mir fielen dabei die Augen zu und ich konnte mich kaum noch bewegen, es war klar, mein Körper war an seine Grenzen gestoßen. Doch ich konnte nicht, ich durfte jetzt nicht schlafen. Es durfte nichts schief gehen morgen, es ging nicht nur um mich.
    Es ging um verdammt viel und ich war bereit, dafür meine Grenzen zu überschreiten.
     
    Eine halbe Stunde nachdem es in Peter Leverenz’ Telefonleitung geklickt hatte, klingelte es an Dr.   Veronika Schewes Privatwohnungstür. Sie war nackt und Birger Isken lag in ihrem breiten Messingbett, eine reine Gewohnheitssache, immer wenn er über Nacht in Norden blieb, landete er in ihren Laken. Sie streifte sich den roten Seidenkimono über und lief barfuß über den Parkettboden bis zur Sprechanlage, Birger blickte ihr träge hinterher.
    «Ja?»
    «Wir haben eine interessante Aufnahme für Sie!», rauschte die junge Stimme des Technikers aus dem Lautsprecher. VeronikaSchewe drückte den Türöffner, band sich den Morgenmantel fester um die nackte, immer noch straffe Haut und schaute durch den Türspalt, bis sie

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