Fischland Mord - Küsten-Krimi
irgendwann kurz das Wohnzimmer
verlassen musste. Andererseits würde er ihr kaum eine zweite Chance geben, sein
Handy auszuspionieren, sollte er am Morgen tatsächlich misstrauisch geworden
sein. Sie versuchte, nicht dauernd hinzulinsen, und schaute stattdessen auf den
Fernseher. Gerade wurden die ersten Bilder des nächsten Berichtes eingeblendet,
eine Straße mit zwei Autowracks. Von einem Wagen war der vordere, von dem
anderen der hintere Teil kaum noch zu erkennen.
»Heute Nachmittag ereignete sich auf der B 105
zwischen Greifswald und Stralsund ein schwerer Verkehrsunfall. Aus noch
ungeklärter Ursache geriet ein Pkw von der Fahrbahn und prallte mit überhöhter
Geschwindigkeit gegen ein geparktes Fahrzeug. Der Wagen geriet in Brand, konnte
aber vor einer Explosion gelöscht werden. Den Rettungskräften gelang es, den
verletzten Fahrer aus dem Wrack zu befreien. Wegen der Schwere seiner
Verletzungen musste er mit dem Hubschrauber ins Hanseklinikum nach Stralsund
geflogen werden.«
»Ich beklage mich nie wieder über meinen gebrochenen Fuß«, sagte
Arnold.
Kassandra wollte etwas erwidern, wurde aber von der Moderatorin
abgelenkt, die jetzt auf dem Schirm erschien. »Wie soeben
bekannt wurde, handelt es sich bei dem Fahrer des Wagens um einen Beamten der
Kriminalpolizei. Sein Zustand ist nach wie vor kritisch. Und nun zum Wetter.«
Die Wettervorhersage hörte Kassandra nur noch mit halbem Ohr. Es gab
eigentlich überhaupt keinen Grund anzunehmen, dass dieser Unfall etwas mit
Kommissar Dietrich zu tun hatte. Abgesehen davon, dass er gerade gegen einen
Kollegen ermittelte, dem das womöglich nicht so ganz in den Kram passte. Ihr
wurde flau im Magen. Sie warf einen Blick auf Arnold. Falls der noch weiter
über den Unfall nachdachte, verbarg er es gut. Direkt konnte er dafür nicht
verantwortlich sein, ein besseres Alibi als den ganzen Tag mit ihr zusammen zu
sein, gab er es kaum. Und indirekt? Sie schüttelte sich. Das war nicht Dietrich
gewesen, bestimmt nicht.
»Darf ich das letzte Brötchen haben?«, fragte Arnold.
»Ja, sicher«, antwortete sie zerstreut. Sie wäre gern genauso sicher
gewesen, was diesen Unfall anging. Ihr fiel etwas ein. »Möchtest du noch eins?
Kann ich dir gern bringen.«
»Würdest du? Seeluft macht hungrig.«
»Kommt sofort.« Kassandra verzog sich in die Küche, wo sie in dem
Augenblick nach ihrem Handy griff, in dem eine SMS ankam. Ruf mich an, wenn du kannst. Jonas
Anscheinend hatte er dieselbe Sendung gesehen und dieselben Schlüsse
gezogen. Sie hatte keine Zeit, ihn zurückzurufen, sie musste zuerst mit Paul
sprechen, der vermutlich nicht vorm Fernseher saß.
Wie in der Nacht war Paul bereits nach einem einzigen Klingeln in
der Leitung, aber Kassandra ließ ihn diesmal gar nicht erst zu Wort kommen. Ein
Brötchen zu schmieren dauerte keine Ewigkeit, sie musste sich beeilen.
»Was ist mit diesem Freddy?«, fragte sie, nachdem sie ihm von dem
Fernsehbeitrag berichtet hatte. »Der ist doch bei der ›Ostsee-Zeitung‹ und
kennt eine Menge Journalisten, die bestimmt mehr wissen. Kannst du über den
rausfinden, ob dieser Unfall was mit Dietrich zu tun hat?«
Paul hatte sie nicht unterbrochen. »Ich versuch’s. Hoffentlich hast
du unrecht.«
»Wenn nicht, haben wir Dietrich auf dem Gewissen.«
Am anderen Ende blieb Paul nur einen kleinen Augenblick still. »Ich
weiß, dass einem das so vorkommen muss. Es stimmt nicht. Der einzig
Verantwortliche wäre Menning. Nicht wir.«
»Aber …«
»Kein Aber, Kassandra. Ich melde mich.«
Eine Minute später stand sie wieder im Wohnzimmer.
Arnold zwinkerte ihr zu. »Musstest du das Brötchen erst backen?« Er
biss in eins der Gürkchen, mit denen Kassandra den Teller garniert hatte.
»Das nicht, aber ich hatte einen Anruf von einer alten Freundin.«
»Von derselben, mit der du damals an der Seebrücke telefoniert hast
und die Violetta so unähnlich ist? Sag nicht, die hat auch Probleme und braucht
dich heute Abend ganz dringend.« Arnold hatte sich offenbar Gedanken gemacht
und den einen oder anderen richtigen Schluss gezogen. Oder seine Bemerkung
hatte gar nichts zu bedeuten.
»Nein, sie wollte bloß ein bisschen plaudern und sich mit mir
verabreden. Ich hab ihr gesagt, dass ich zurzeit Krankenschwester spiele und
unabkömmlich bin.«
»Du willst meinetwegen auf ein Weibertreffen verzichten? Das rechne
ich dir hoch an, vor allem, wenn man bedenkt, dass du zurzeit fast
ausschließlich von Männern umschwärmt bist.« Arnold
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