Fischland Mord - Küsten-Krimi
sie, und endlich bekam sie
eine Antwort.
»Bautzen II , zehneinhalb Monate. Als
ich wieder draußen war, hatte Karin Heinz geheiratet.«
Bautzen II . Der Stasi-Knast. Kassandra
hatte es geahnt, aber es war ein Unterschied, es zu wissen. »Wolltest du
abhauen?«
»Ich wollte nie weg. Ich wollte es anders. Aber ich
wollte nie weg.« Paul schwieg erneut.
Kassandra fragte nicht, was genau er getan hatte, und auch nicht nach seinem Leben unmittelbar nach seiner Entlassung. Wenn er es
erzählen wollte, würde er es tun.
»Was hat dich drauf gebracht?«, erkundigte er sich.
»Du hast gesagt, dass man einen Preis zahlen muss, wenn man hinter
den Dingen stehen will, die man tut. Nachdem du Arnold in die
Mangel genommen hattest, hast du behauptet, man lernt eine Menge
von der Stasi. Nicht bei der Stasi, von . Ein kleiner, aber feiner Unterschied.«
Als Paul nichts erwiderte, stand Kassandra auf und
stieg die Treppe herunter. Ohne ein Wort setzte
sie sich zu ihm, streckte die Hand aus und berührte sein Gesicht.
Als Paul zurückzuckte, ließ sie erschrocken die Hand sinken.
»Bitte nicht«, sagte er. »Kein Mitleid, weder wegen Karin noch wegen der Monate im Bau. Das ist lange her, du warst nicht mal auf
der Welt. Vergebliche Liebe kann lange anhalten, aber nicht über Jahrzehnte, da
bleiben letztendlich nur ein bisschen Wehmut und ein bisschen ungerechtfertigte
Wut. Jonas hat nicht ganz unrecht, ich habe deswegen manchmal
noch Schwierigkeiten mit Heinz, obwohl ich das verdränge.« Er
hielt kurz inne und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht, bevor er Kassandra
ansah. »Der zweite Teil meines … früheren Lebens dagegen ist durch Arnolds Bemerkungen wieder hochgekommen. Ich hab zum ersten Mal damit
spielen können, im Grunde muss ich ihm dankbar sein.«
»Es hat dir Spaß gemacht, mich zu verunsichern, gib’s zu«, sagte
Kassandra.
Paul wandte den Blick ab. »Ich weiß, wie man Menschen manipuliert
und bedroht. Dieses Wissen bei Arnold oder bei der Boes einzusetzen, war eine
Sache, und glaub mir, das war die harmlose Variante.« Er sah sie wieder an.
»Bei dir hätte ich jede Spielerei damit lassen sollen. Verzeih.« Kassandra
wollte etwas sagen, doch Paul ließ sie nicht zu Wort kommen. »Wo ich schon
dabei bin, um Verzeihung zu bitten, werde ich das morgen ebenso bei Jonas
tun. Dass wir Heinz einweihen, ist keine schlechte Idee. Auch
wenn er keine nennenswerten Kontakte haben sollte und ein gewisses
Risiko bleibt, gibt es keine bessere Alternative.«
23
Mit der zweiten Ladung schwerer Tüten betrat Kassandra das Haus und
stieß die Tür hinter sich mit dem Fuß zu. Der Großeinkauf, den sie jetzt in der
Küche und in der Speisekammer verstaute, war längst fällig gewesen.
»Morgen, Kassandra. Sag mal, kriegst du eigentlich oft
anonyme Anrufe?«
Kassandra fuhr zusammen. Sie hatte Arnold nicht kommen hören. »Wie
bitte?«
»Da hat vorhin jemand angerufen, aber keinen Ton gesagt, als ich
mich mit dem Namen deiner Pension gemeldet habe. Kann sein, ich hab’s nicht
korrekt ausgesprochen, aber merkwürdig fand ich es doch, dass nach zwei
Sekunden wortlos aufgelegt wurde.«
Kassandra überlegte fieberhaft. Wer könnte versucht haben, sie zu
erreichen? Tina sicher nicht, die hatte sie gebeten, nicht den
Festnetzanschluss zu benutzen, was auch weder Paul noch Jonas taten.
»War übrigens eine Rostocker Vorwahl«, fügte Arnold hinzu.
»Rostock?« Kassandra runzelte die Stirn. Arnold lehnte in der
Küchentür auf einer Krücke und ließ sie nicht aus den Augen. »Ich kenne
niemanden in Rostock«, sagte sie. Mit Ausnahme von Susanne Boes, aber die würde
nicht sie anrufen, sondern Paul. »Vielleicht hat sich jemand verwählt. Falls es
wichtig war, wird derjenige sich schon wieder melden.«
»Bist du sicher, dass du niemanden in Rostock kennst?«, hakte Arnold
nach. Als Kassandra nickte, fuhr er fort: »Apropos wieder melden, da
fällt mir ein, dass sich die Polizei schon länger nicht mehr hat blicken
lassen. Haben die den Fall zu den Akten gelegt, oder hast du in letzter Zeit was von den Herren Menning und Dietrich
gehört?«
Kassandra dachte an Dietrich auf der Intensivstation und bemühte
sich um einen neutralen Ton. »Nein, ich nehme an, die haben sich noch um ein
paar andere Fälle zu kümmern. Josef Kind hat nach drei Wochen anscheinend keine
Priorität mehr.«
In dem Moment klingelte das Telefon auf dem Flur. Arnold drehte sich
um, dann sah er zu Kassandra zurück und grinste. »Wer immer das jetzt
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