Fischland Mord - Küsten-Krimi
Bescheid gesagt, aber du warst
schon im Bett mit Schmerzmitteln und Schlaftablette. Hätte ich dich extra
wecken sollen? Was soll die Fragerei überhaupt? Du hast nicht nur kein Recht,
mich zu fragen, wo ich meine Nächte verbringe, ich bin dir auch keine
Rechenschaft schuldig. Und Überraschungsbesuche in meinem Schlafzimmer schätze
ich auch dann nicht, wenn ich zu Hause bin.« Sie drängte sich endgültig an ihm
vorbei und packte in der Küche weiter die Einkäufe aus. Dabei wäre ihr vor
Aufregung fast eine Tüte Mehl aus der Hand geglitten.
Sie konnte nur bei ihrer Geschichte bleiben und Jonas instruieren,
dass er demnächst Geburtstag hatte – für den Fall, dass Arnold sich bei ihm
nach dem Datum erkundigte. Bei Paul würde er kaum nachfragen.
»Entschuldige«, bat Arnold da. »Ich wollte dich letzte Nacht
eigentlich nur um ein Mittel gegen Übelkeit bitten. Die Schmerzdinger und die
Schlaftablette waren ein bisschen viel auf einmal.«
Kassandra stellte die Eier in den Kühlschrank und drehte sich um. Er
sah wirklich etwas grau um die Nase aus. »Schon gut. Du solltest dich wieder
hinlegen, wenn’s dir schlecht geht. Brauchst du was?«
»Nein, aber ich werde deinen Rat befolgen.« Arnold humpelte aus der
Küche und tat Kassandra fast leid. Er litt nicht nur unter dem gebrochenen Fuß,
er musste seit Josef Kinds Tod auch sonst unter enormem Druck stehen. Kassandra
erinnerte sich daran, dass sie mal gesagt hatte, sie wäre gern mit Arnold
befreundet. Zwar verspürte sie jetzt gelegentlich Angst vor ihm, mochte ihn
aber absurderweise immer noch.
Kaum war er in seinem Zimmer verschwunden, griff Kassandra nach
ihrem Handy, auf dem sie eine SMS von Paul
entdeckte, deren Eingang sie überhört hatte. Muss dringend
nach Hamburg, sprich mir auf die Mailbox, wenn du mich nicht erreichen kannst. Sie
wunderte sich zwar, was Paul in Hamburg tat, aber zumindest erklärte das, warum
Susanne Boes es vergeblich bei ihm versucht hatte – er musste auf der Autobahn
gewesen sein.
Kassandra wählte Tinas Nummer und fragte, wie es ihr ging. Die
Antwort fiel müde aus. »Ich hab gewartet, dass du anrufst«, sagte sie, »aber
vermutlich gibt es einfach nichts Neues?«
»Doch. Deshalb brauche ich deine Hilfe.« Kassandra berichtete, dass
sie Arnolds Handy ausspioniert und was das an den Tag gebracht hatte. Als sie
Susanne Boes erwähnte, stöhnte Tina hörbar auf.
»Die Boes, ach je. Arnolds Trennung von ihr war unerfreulich, sie
wollte nicht einsehen, dass Schluss war.«
»Unterdessen habt ihr aber beide schlechte Erfahrungen mit ihm
gemacht, das müsste doch zusammenschweißen.«
Tina stutzte. »Hast du was Bestimmtes im Sinn?«
»Könntest du sie bei dir aufnehmen?« Kassandra gab das Ergebnis der
Unterhaltung mit Susanne Boes wieder und erwähnte deren Angst vor Raimund
Degenhard.
»Du glaubst also, dass Arnold an dem Abend in der Kunstscheune mit
Raimund telefoniert hat?«, vergewisserte sich Tina nach kurzem Schweigen. »Das
scheint absurd, weil Arnold Raimund fast so sehr verabscheut wie meinen Vater.«
»Beide hatten ihre Motive, es ist darum auf paradoxe Weise logisch,
dass sie sich zusammengetan haben«, widersprach Kassandra. »Würdest du Susanne
Boes bei dir aufnehmen? Es gibt sonst keine nennenswerten Beweise, sie ist eine
erste vernünftige Spur.«
»Das bringt nur was, wenn die Polizei eingeschaltet wird«, folgerte
Tina. »Zu viel Risiko für mich. Du hast versprochen, mich nicht zu verraten.«
»Ich dachte, du willst die Mörder deines Vater drankriegen«,
erinnerte sie Kassandra. »Mir wär’s auch am liebsten, Arnold und Degenhard
würden von selbst gestehen, aber den Gefallen werden sie uns kaum tun.« Ebenso
wenig wie Menning, dachte Kassandra, erwähnte das aber Tina gegenüber nicht.
Sie musste zu diesem Zeitpunkt nicht erfahren, dass möglicherweise jemand von
der Polizei an der Sache beteiligt war.
»Wir könnten sie dazu bringen«, schlug Tina vor.
»Das hast du bei Arnold schon erfolglos versucht. Falls dir
überzeugendere Methoden einfallen, die sich mit dem Gesetz vereinbaren lassen,
bin ich offen für jeden Vorschlag.«
Tina dachte eine Weile nach und musste die Segel streichen.
»Einverstanden, bring die Boes zu mir, falls sie nichts dagegen hat. Immerhin
war sie damals sauer auf mich.«
Erleichtert wollte Kassandra als Nächstes Susanne Boes anrufen, ihr
fiel jedoch Pauls SMS wieder ein. Sie wählte
seine Nummer und hatte Glück. »Was tust du in Hamburg?«
»Ein Päckchen für
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