Fischland Mord - Küsten-Krimi
Salbe?«
»Wenn du hast. Ich sollte heute Abend fit sein, da steigt nämlich
eine Party für Jonas.«
»Heute Abend schon?«
»Es wird Zeit, dass was passiert.« Paul stöhnte erneut, als er sich
bewegte.
Aus ihrem Medizinbeutel im Nachtschränkchen holte sie eine Salbe und
reichte Paul die Tube.
Er zog sich das Hemd aus, das er mit irgendwas Alkoholischem
getränkt haben musste. Kassandra wusste nicht recht, wo sie hinsehen sollte,
während er berichtete, dass Violetta in alles eingeweiht war und Degenhard
durch eine kleine Erpressung ihrerseits zu einem Wiedersehen überredet hatte.
Als Paul so weit gekommen war, hatte er mehrfach erfolglos versucht, sich den
Rücken einzureiben. »Könntest du vielleicht?«, bat er Kassandra.
Sie schluckte und war dankbar für die Dunkelheit. Paul drehte ihr den Rücken zu und erläuterte, was er und Jonas außerdem noch
in die Wege geleitet hatten. Als Kassandra ihn berührte, zuckte er zusammen.
»Leg dich hin, dann geht’s besser«, sagte sie. Ihre Hände zitterten,
als sie begann, die Salbe behutsam einzumassieren.
Paul erzählte, dass jeder seine Rolle kannte und der
Abend mehr oder weniger nach Kassandras Plan verlaufen könne. Da
Heinz Jung ausfiel, hatten sie sich eine Alternative überlegt, von der sie nur
das Beste hoffen konnten. Kassandra hörte die Worte, aber es bereitete ihr mehr
und mehr Mühe, ihren Sinn zu verstehen. Stattdessen spürte sie Pauls Wärme
unter ihren Fingern und bekam Herzrasen. Irgendwann merkte sie, dass er
schwieg. Was hatte er als Letztes gesagt? Sein Oberkörper hob und senkte sich,
sie sah, dass seine Finger sich in das Kissen krallten.
»Entschuldige. Ich wollte dir nicht wehtun.« Sie nahm
die Hände weg und stand vom Bett auf.
»Schon gut«, murmelte er undeutlich ins Kissen. »Danke.« Einen
Augenblick blieb er noch liegen, bevor er ebenfalls aufstand und dabei nach
seinem Hemd griff. Er bekam es nicht gleich zu fassen, Kassandra half ihm, ihre
Finger berührten sich. Unwillkürlich zuckte sie zurück, ebenso wie Paul. Sie
beide starrten auf ihre Hände. Die Zeit stand still, bis ihre Blicke
aufeinandertrafen. Kassandra konnte kaum glauben, was sie in Pauls Augen las –
und das beruhte offensichtlich auf Gegenseitigkeit. Paul ließ das Hemd fallen,
hob ganz langsam die Hand und legte sie sanft an ihre Wange. »Kassandra«, sagte
er mit belegter Stimme. Doch plötzlich ließ er sie los, als hätte er sich
verbrannt. »Das geht nicht. Ich … es tut mir leid. Ich hätte nicht … Das geht
nicht.«
Mit einem Schlag kam Kassandra zu sich. »Wenn es wegen Jonas …«
Paul unterbrach sie. »Das hat nichts mit Jonas zu tun.«
»Also liegt es an mir.« Kassandra wollte dieses Gespräch nicht
führen, andererseits musste sie wissen, woran sie war.
»Nein. Es liegt an mir.«
»An dir?«
Paul drehte sich weg, nahm sein Hemd und zog es über. »Ich bin zu
alt für dich. Ich könnte dein Vater sein.«
»Du bist aber nicht mein Vater.«
Paul schwieg.
»Paul, warum sind diese Jahre zwischen uns so ein Problem für dich?
Mir sind sie völlig egal.«
Er fuhr sich mit den Händen übers Gesicht und wandte sich endlich
wieder zu ihr um. »Ich bin nicht dein Vater, aber ich kannte deine Mutter, als
sie mit dir schwanger war. Da kann ich doch jetzt nicht … Kassandra! Ich kann
doch nicht …« In einer hilflosen Geste hob er die Arme und ließ sie kraftlos
wieder sinken.
Kassandra musste sich setzen und sah Paul wie betäubt an. Er hatte ihre Mutter gekannt? Dann begriff sie mit einem Schlag. Wie
hatte sie so blind sein können? »Meine Mutter war Karins Schwester«,
sagte sie tonlos. »Heinz Jung hat sie auf dem Foto erkannt. Er hat nicht
gelogen, sie war seine Schwägerin. Du hast sie auch erkannt, an jenem Abend,
als du Arnold davon abgehalten hast, mich zu küssen. Ich dachte, du hättest dir
Violettas Afrika-Buch angesehen, tatsächlich war es das Foto. Oder ist es dir
schon aufgefallen, als du zum ersten Mal bei mir warst, mit Jonas?«
»Das war gar nicht nötig. Ich hab geahnt, wer du bist,
als du herkamst, um das Haus zu kaufen.«
»Sind wir uns da begegnet?«, fragte Kassandra verständnislos.
»Selbst wenn, ich sehe meiner Mutter überhaupt nicht ähnlich.«
»Wustrow ist ein Dorf. Wenn Fremde kommen und sich hier niederlassen
wollen, sind deren Namen schnell rum. Kassandra Voß. Das hätte ein gewaltiger
Zufall sein müssen, wenn du nicht Ullas Tochter gewesen wärst. Allerdings bin
ich damals davon ausgegangen, dass du
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