Fischland Mord - Küsten-Krimi
sie
erkannte kaum einen Schemen. Jemand streifte sie. Violetta, die Degenhard zum
Tanzen animierte? Es war zu dunkel und zu laut. Vorsichtig bewegte sie sich zum
anderen Ende des Raumes, da stieß sie mit einer Gestalt zusammen.
»Kassandra, bist du das?«, fragte Arnold dicht an ihrem Ohr. »Ich
hab den blöden Mörder-Zettel gezogen. Wo ist Violetta? Die würde ich mit
Freuden umbringen.«
»Du darfst mir nicht sagen, dass du der Mörder bist«, wies Kassandra
ihn zurecht. »Nun musst du mich wohl töten, damit ich dich nicht verraten
kann.«
»Haha. Das ist das bescheuertste Spiel, von dem ich je gehört habe.«
»Du wirst es überleben.« Kassandra legte ihre Hand auf seine.
»Violetta und Freese nicht, wenn’s nach mir geht.«
»Vergiss das doch. Wir sind …«
Da ertönte ein gedämpfter Schrei. »Was ist das?« Violettas Stimme.
Dann noch einmal, lauter. »Was ist das? Macht das Licht an! Sofort!«
Kassandra ließ Arnold los, stolperte vorwärts und hieb auf den
Lichtschalter ein, während sich die Tür öffnete, Heinz Jung auf der Bildfläche
erschien und in der Bewegung versteinerte.
In einer Ecke des Raumes lag Tina Bodenstedt merkwürdig verkrümmt
auf der Seite. Sie hatte ihnen halb den Rücken zugewandt und die Arme wie
schützend um den Leib gelegt, aus dem dunkelrotes dickes Blut sickerte. Ein
Messer lag in der langsam größer werdenden Lache. Violetta hockte mit
entsetztem Gesichtsausdruck neben ihr, die Hände und Jeans mit Blut beschmiert.
Ganz offenbar war sie im Dunkeln über Tina gestolpert. Jetzt sprang sie wie von
Furien gehetzt auf, starrte abwechselnd auf Tina und ihre Hände und fing an zu
kreischen. Dabei griff sie haltsuchend nach Degenhard, der Augen und Mund aufgerissen
hatte, aber kein Wort rausbrachte. Arnolds Gesicht war leichenblass. Nie zuvor
hatte Kassandra ihn so benommen vor Schock, Unglauben und Schmerz gesehen,
nicht mal, als sie ihn aus dem Keller der Seefahrtschule befreit hatten.
Nur wenige Sekunden waren vergangen, seit sie das Licht
eingeschaltet hatte, aber die kamen ihr vor wie eine Ewigkeit. Jung setzte sich
wieder in Bewegung, machte im Vorbeigehen die immer noch dröhnende Musik aus
und kniete neben Tina nieder.
»Tina?«, wisperte Arnold und wollte zu ihr. Jonas hielt ihn fest.
»Bleiben Sie, wo Sie sind. Alle«, sagte Jung mit Autorität in der
Stimme, während er nach Tinas Puls suchte und schließlich den Kopf schüttelte.
»Frau Voß, rufen Sie die Kollegen, bitte.«
Fassungslos hielt Arnold den Blick auf das grausige Bild geheftet.
»Nein«, sagte er heiser. »Nicht Tina.«
Kassandra war vollkommen auf Arnold fixiert, sie erschrak, als sie
Paul sagen hörte: »Herr Degenhard, ich glaube nicht, dass jetzt jemand diesen
Raum verlassen sollte.«
»Allerdings nicht«, ließ sich Heinz Jung vernehmen.
Degenhard hatte sich von Violetta befreit und war auf dem Weg zur
Tür. »Sie haben mir gar nichts zu sagen.«
»Oh doch. Ich habe mich vielleicht vorhin nicht richtig vorgestellt.
Polizeihauptmeister Jung. Sie werden bleiben, bis meine Kollegen hier sind.
Frau Voß, Sie …«
In dem Moment brüllte Arnold los und ließ sich weder von Jonas noch
von seinem gebrochenen Fuß oder seinen Krücken aufhalten. Er schleuderte
Degenhard gegen die Wand. »Du hast sie umgebracht! Sie wusste, was wir getan
haben, und du hast sie umgebracht!«
Einen Moment herrschte Grabesstille. Dann sagte Degenhard zittrig:
»Sie sind ja vollkommen durchgedreht. Lassen Sie mich los.« Er sah zu den
anderen hin. »Helfen Sie mir doch!«
Niemand rührte sich.
»Du verfluchter Bastard! Du hast ihr Blut an den Händen!«, brüllte
Arnold. Er griff nach Degenhards Handgelenken, donnerte sie gegen die Wand und
hielt sie dort fest wie ein Schraubstock.
»Das ist von Violetta, sie hat mich angefasst«, verteidigte sich
Degenhard, doch Arnold hörte nicht zu.
»Ich bring dich um«, sagte er, mit einem Mal ganz leise. »Auf einen
mehr oder weniger kommt’s nicht an. Ich schwör dir, ich bring dich um.«
Degenhard kam nicht gegen Arnolds Griff an. Verzweifelt wandte er
sich an Heinz Jung. »Wenn Sie Polizist sind, müssen Sie mir helfen. Tun Sie
was, um Himmels willen!«
Jung war aufgestanden und durchbohrte Degenhard mit seinem Blick,
ohne etwas zu erwidern. Stattdessen deutete er auf das Messer und fragte
Kassandra: »Frau Voß, das ist doch das Brotmesser vom Büfett, das vorhin jeder
mal in der Hand hatte, richtig?«
Kassandra nickte zögernd.
»Demnach wird man also
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