Fischland Mord - Küsten-Krimi
Stadtverwaltung beziehungsweise bei Gericht in Stralsund. Ich denke, es
würde zu weit führen, wenn wir anfangen, jeden zu verdächtigen. Auf solchen
Eröffnungen treibt sich meist Prominenz rum, niemand von ihnen scheint sich
Mühe zu geben, nicht fotografiert zu werden, und zumindest einer der Richter
hat ein echtes Interesse an Bildhauerei.«
»Woher kennen Sie all die Leute aus Stralsund?«, ergriff Jonas nach
längerer Zeit das Wort. »Ich dachte, Sie kommen aus Anklam.«
Dietrich verzog das Gesicht. »Misstrauisch?« Seine Augen funkelten kurz, was ihn beinah sympathisch aussehen ließ. »Ich bin erst
seit Kurzem in Anklam, ich wurde zusammen mit Claus Menning von Stralsund
dorthin versetzt. Im Gegensatz zu ihm wohne ich sogar noch in
Stralsund.«
Kassandra erinnerte sich, was Polizeimeister Löber ihr von der
Umstrukturierung der Landespolizei erzählt hatte. Demnach war Dietrich einer
der Beamten, die es lieber gesehen hätten, wenn die KPI in Stralsund geblieben wäre.
Dietrich sah wieder zu Paul. »Ich kann davon ausgehen, dass das alle Fotos sind?« Auf dessen Nicken hin fuhr er fort: »Gut. Konzentrieren
wir uns auf Josef Kind und den Siegelring.«
Kassandra fiel auf, dass Dietrich die Frage nach den Fotos mehr wie
eine Feststellung formuliert und bereits mehrfach »wir« gesagt hatte.
Außerdem hatte er Pauls Aussagen nicht mal ansatzweise in Zweifel
gezogen. Er hielt ihn offensichtlich für integer und glaubwürdig, was
ihrer Sache nur nützlich sein konnte. Sie fragte sich, womit Paul
sich diese Vorschusslorbeeren verdient hatte.
»Was wissen Sie über Herrn Menning, seinen Hintergrund, seinen
Werdegang?«, fragte Paul.
Dietrich schürzte die Lippen. »Herr Freese, lassen Sie mich eins
klarstellen. Claus Menning und ich arbeiten seit zehn Jahren zusammen, da lernt
man einen Menschen ganz gut kennen. Es fällt mir sehr schwer zu glauben, dass
er in krumme Geschäfte verwickelt sein könnte, obwohl mich der
Siegelring nachdenklich macht. Er hat mal erzählt, dass es sich
um ein Familienerbstück von seinem Urgroßvater handelt. Aber das Foto und der
Ring sind absolut keine Beweise gegen ihn. Solange ich die nicht habe, werde
ich an seine Unschuld glauben. Das heißt, dass ich zwar bereit
bin, mich mit Ihnen zu unterhalten – ich tue
das aber in erster Linie, um HK Menning von jedem Verdacht reinzuwaschen. Bevor wir weiter über ihn reden,
möchte ich wissen, was Sie mir noch zu erzählen haben.«
Kassandra wollte schon fortfahren, da wurde sie von Jonas gestoppt.
»Wenn Sie so sehr von seiner Unschuld überzeugt wären, wie Sie behaupten, wären
Sie nicht hier. Sie sagen es selbst: Das Foto ist
kein Beweis. Folglich muss es andere Anhaltspunkte geben, die Sie
überzeugt haben herzukommen.«
Dietrich musterte ihn scharf. »Ich sagte, ich will hören, was Sie
noch zu erzählen haben.«
Bevor Jonas erneut protestieren konnte, sagte Kassandra: »Wir
verlangen ziemlich viel von Herrn Dietrich. Er hat also das Recht, zuerst zu
erfahren, was wir wissen. Oder zu wissen glauben.«
Jonas fügte sich, wenn auch widerwillig. Kassandra stand also auf,
ging kurz ins Büro und übergab Dietrich das Paket des Rostocker Antiquariats an
Ferdinand Thun, was er mit einer Standpauke quittierte,
in der Unterschlagung von Beweismaterial noch der harmloseste
Vorwurf war. Danach hörte er jedoch ruhig zu, stellte zwischendrin einige
Fragen und machte sich Notizen. Nachdem er in alles eingeweiht war, begann er,
auf ein Blatt Papier die Namen der Beteiligten zu schreiben und sie mit Pfeilen
und Fragezeichen zu verbinden. Das sah wild aus, aber Kassandra
verstand, wie er vorging. Konzentriert betrachtete Dietrich die Darstellung, niemand
sagte ein Wort.
»Tina Bodenstedt könnte tatsächlich der Schlüssel zu
allem sein«, stellte er schließlich fest. »Auf jeden Fall wäre es
interessant, mit ihr zu reden. Sie wissen nicht, wo Sie sich aufhält, oder?
Sonst hätten Sie bei ihr sicher weiter Detektiv gespielt.«
»Wir wissen alle, dass das kein Spiel ist, Herr Dietrich«, sagte Paul. »Frau Bodenstedt lebt in Schwerin, ist ihrer Nachbarin zufolge
aber seit einigen Wochen nicht zu Hause gewesen.«
Verwundert sah Kassandra zu Paul. Davon hatte er gar
nichts erwähnt. Dietrich seinerseits nickte langsam. Dann
musterte er Paul ebenso scharf wie vorhin Jonas. »Darf ich fragen, woher Sie
Tina Bodenstedts Nachbarin kennen?«
»Wer hat gesagt, dass ich sie kenne?«, entgegnete Paul belustigt. »Ich habe bei Tina
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