Fischland-Rache
Inkompetenz! Dabei hat Clemens Meisner letztens dieses Hotel in den höchsten Tönen gelobt! Gott, Alex, es tut mir entsetzlich leid.«
Kassandra merkte, dass Paul sich bemühte, ernst zu bleiben. »Das ist kein Drama, Anni, du regst dich zu schnell auf. Sie können uns doch bestimmt trotzdem zwei Zimmer geben?«, fragte er Jönsson.
»Es tut mir leid«, sagte der zum dritten Mal. »Ich fürchte, wir sind komplett ausgebucht, Herr Hardenberg. Wir haben drei Konferenzen und eine Hochzeitsfeier im Haus.«
»Meine Güte, ich fass es nicht«, beschwerte sich Kassandra. »Wenn wir Clemens das erzählen! Ich frage mich, ob er je wieder Ihr Hotel empfehlen wird. Haben Sie wenigstens Herrn Meisners Manschettenknöpfe zurückgelegt, damit wir sie mitnehmen können?«
Jönsson sah etwas ratlos aus.
»Clemens Meisner hat letzte Woche von Mittwoch auf Donnerstag hier übernachtet«, nahm Paul Kassandras Geschichte in weit weniger hysterischem Tonfall auf, »und bei der Abreise seine Manschettenknöpfe liegen lassen. WeiÃgold mit eingravierten Initialen. Er hat mich gebeten, sie ihm mitzubringen, als er hörte, dass wir herkommen.«
»Verstehe. Einen Augenblick bitte, ich erkundige mich.«
Allmählich fing Kassandra an, den Mann zu bedauern, doch sie spielte ihre Rolle weiter, laut genug, dass Jönsson sie hören konnte. »Wie kannst du so ruhig bleiben, Alex? Das ist eine Katastrophe!«
»Ist es nicht. Wir werden in Schwerin schon noch Zimmer bekommen. Hauptsache, die haben Clemensâ Manschettenknöpfe, die sind, wenn ich das richtig verstanden habe, ein Geschenk von seinem Schwiegervater.«
»Ich fürchte«, sagte Jönsson, den sie mittlerweile etwas aus der Ruhe gebracht hatten, »Herrn Meisners Manschettenknöpfe sind nicht gefunden worden. Vielleicht hat er sie anderswo verloren?«
»Soll das heiÃen, Herr Meisner weià nicht mehr, was er wo tut?«, fragte Kassandra empört. »Offensichtlich sollten Sie Ihr Personal mal unter die Lupe nehmen.«
Jetzt gefror Jönssons Miene zu Eis. »Wollen Sie damit andeuten, dass unsere Angestellten stehlen?«
»Ich will gar nichts andeuten. Sorgen Sie dafür, dass â¦Â«
»Anni«, mahnte Paul. »Es wäre doch möglich, dass Herr Jönsson recht hat. Clemens war sich ja selbst nicht mehr hundertprozentig sicher. Er sagte doch, er hätte das Hotel abends noch mal verlassen und sei nach ⦠wie hieà das, wo er war? Vielleicht können wir da nachfragen.«
Kassandra beruhigte sich wieder. »Ja. Ja, das wäre natürlich möglich. Ich habe leider auch vergessen, was er genau sagte. War es nicht ein Theater?« Sie wandte sich ruckartig an Jönsson, der ein kleines bisschen zurückschreckte. »Hat sich Herr Meisner bei Ihnen oder einem Ihrer Kollegen nach Veranstaltungen erkundigt?«
Jönsson hob die Brauen. »Ich schlage vor, Sie fragen das Herrn Meisner selbst.«
»Das würden wir gern«, sagte Paul freundlich. »Aber er gibt heute Abend ein Konzert und probt zurzeit im Greifswalder Dom. Da geht er nicht ans Telefon. Ich wäre Ihnen ehrlich für jeden Tipp dankbar.«
Jönsson überlegte, schaute kurz zu einer Kollegin hinüber, die gerade mit einem anderen Gast beschäftigt war, und räusperte sich. »Ich habe an dem Tag selbst an der Rezeption gestanden. Ich ⦠bitte denken Sie nicht, dass ich indiskret bin, aber ich glaube, ich kann in diesem Fall eine Ausnahme machen. Meine Frau hat übrigens Ihr letztes Buch geradezu verschlungen, Herr Hardenberg.«
Pauls Augen blitzten auf, er lächelte. »Das freut mich sehr.« Dann wartete er.
»Ja, also, ich weià nicht, ob Ihnen das hilft, aber Herr Meisner bat mich, ein Taxi zu bestellen, was mich etwas wunderte, weil er mit seinem eigenen Wagen angereist war. Die Taxizentrale möchte immer gern im Voraus wissen, wohin die Fahrer ihre Kunden bringen sollen, und Herr Meisner nannte als Adresse die Johannes-Brahms-StraÃe, allerdings ohne eine Hausnummer zu erwähnen. Er kam bald darauf schon wieder zurück, so gegen sieben, meine Schicht war gerade zu Ende.«
Das warâs, dachte Kassandra. Es passt nicht, sieben ist viel zu früh, dabei hatte es so gut begonnen.
»Ich sah, wie er in einem silbernen Polo auf den Parkplatz fuhr, den Wagen ganz hinten abstellte und ausstieg«, erzählte
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