Fish im Trüben
beim Aufschauen sah ich Michele neben der Tür. Im Profil sah man, daß sie schwanger war. Ihr Gesicht war schmutzigbleich, und sie sah aus wie jemand, der Angst hat.
»O.k.«, sagte ich, »geben Sie mir die Adresse von Denise, und ich fang an rumzuschnüffeln.«
»Die hab ich nicht.«
»Was meinen Sie mit, die hab ich nicht?«
Coogan wurde borstig. »Also, der verdammte Bengel ist hier immer nur so aufgetaucht. Es gab nichts mit Denise zu besprechen.«
Der Apfel fiel nicht weit vom Stamm. Der Knabe hatte offensichtlich Organisationstalent. Jeder wußte von der Sache außer der Mutter.
»Wissen Sie wenigstens ihren Namen?«
Er sagte, daß sie Dwyer geheißen hätte, wie Luke, aber dann noch mal geheiratet hätte. Und schon Dwyers gab es wahrscheinlich einige hundert im Telefonbuch. Ich fragte ihn, ob sie Verwandte in Sydney hätte.
»Weiß der Henker«, sagte er. »Ich hab sie aus einer Oben-ohne-Bar abgeschleppt. Sie hat nie über ihre Familie gesprochen. Mein Eindruck war, daß sie viel hinter sich hatte.«
Ich warf einen Bick in Lukes Raum, aber der strahlte eine bewußte Anonymität aus. Bernie hatte kein Foto von dem Jungen, aber er beschrieb mir Luke als hellhaarig, blauäugig und gutaussehend, so wie Denise, als sie jung war.
»Wo haben sie ihn gekidnappt, Bernie?«
»Am Strand, denke ich. Niemand hat es gesehen. Michele nahm den Anruf an. Sprechen Sie mit ihr.«
Michele konnte nicht viel beitragen. Luke war mit dem Fahrrad zum Strand gefahren wie üblich und nicht zurückgekommen. Der Anrufer habe wie ein Australier geklungen, sein Alter könne sie nicht einschätzen. Er habe gesagt, sie hätten zwei Tage, um das Geld aufzutreiben, dann würde er sich mit neuen Anordnungen melden. Wenn sie die Bullen einschalteten, würden sie Luke ins Meer schmeißen, mit Zementsocken.
Ich verließ das Haus unter dem Geheul der Hunde, die man zu meinem Glück weggeschlossen hatte, und fuhr mit der Klapperkiste zurück in mein Büro nach Darlinghurst,, von wo ich Lizzie Darcy in ihrer Zeitung anrief.
»Wie ich höre, haben die Sozialisten deinen Freund in die Wüste geschickt«, sagte ich unfreundlich.
Lizzies Freund war ein Hiwi, der bei dem Blutbad dran glauben mußte, das die Sozis nach der Wahlschlappe angerichtet hatten. Nach zwölf Jahren, in denen sie New South Wales regiert hatten, als ob es ihr persönliches Eigentum sei.
»Er ist zurückgetreten«, sagte sie.
»So wie Richard Nixon«, schnalzte ich.
War ein Fehler. »Was will du, Fischfresse?« fragte sie mit einer Eisschrankstimme.
Ich sagte es ihr.
»Denise Dwyer? Du mußt dich eigentlich an sie erinnern. Sie war die hiesige Pornokönigin. Coogan muß gemerkt haben, daß sie... bestimmte Fähigkeiten besaß. Er machte sie zu einer kleinen Kultfigur und muß ein Vermögen damit verdient haben. Und plötzlich ist sie verschwunden. Mit der Familie kann ich dir nicht helfen. Hier muß es Millionen Dwyers geben.«
»Irgend jemand muß doch ihre Familie kennen«, beharrte ich.
Sie dachte einen Moment nach, und ich hörte sie an ihrer Zigarette ziehen, obwohl sie das Rauchen angeblich schon Vorjahren aufgegeben hatte. »Dwyer ist an sich ein katholischer Name, oder?«
»Ich glaub schon. Oder wenigstens war er es mal.«
»Gib mir eine Stunde oder so, o.k.? Ich werd mal rumhören. Wo erreich ich dich?«
Ich dachte, ich könnte auch mal früh lunchen, und begab mich in eine Kneipe in der Nähe. Der Fischsalat reizte mich weniger, also nahm ich Würstchen mit Pommes frites und plauderte ein bißchen mit Tina, der griechischen Kellnerin, die mich vollquallte wegen ihres Sohnes. Er hing den ganzen Tag nur vor der Glotze rum.
»Da gibt es viel Schlimmeres«, teilte ich ihr mit. »Ich arbeite gerade für einen, dem sie den Sohn entführt haben.«
»Warum haben immer andere so viel Glück?« lamentierte sie rum, während sie mir Fruchtsalat aus der Dose mit Eis hinknallte.
Zurück im Büro, erhielt ich den Anruf von Lizzie, die für mich ein Treffen mit einem alten Freund von ihr verabredet hatte, einem halbpensionierten Priester, der etwas über jeden irischstämmigen Katholiken in Sydney wußte. Er verfügte nach ihren Worten auch über ein umfangreiches Informationsnetz von Politikern, Schriftstellern, Gewerkschaftlern, Journalisten und Bürokraten. Schöne Quellen, in der Tat.
Ich traf Declan Doherty in einem Coffee Shop in der Park Street. Später sollte ich noch merken, daß er jeden Coffee Shop in Groß-Sydney kannte plus alle Buchläden, Kinos
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