Fisherman's Friend in meiner Koje - Gier, K: Fisherman's Friend in meiner Koje
öffnete vielmehr mit bierernstem Gesicht seine Fleecejacke und holte ein helles Couvert aus der Innentasche. Dabei sagte er etwas zu Mick, was ich auch nicht hätte verstehen können, wenn ich Lippenleserin gewesen wäre, denn Stefan sprach bekanntlich, ohne die Lippen zu bewegen.
Mick nahm den Umschlag entgegen und lachte noch einmal. Wieder verzog Stefan keine Miene. Er schüttelte nur den Kopf und verschwand dann um die Hausecke. Mick folgte ihm, nachdem er das Couvert sorgfältig in seiner Hosentasche verstaut hatte.
Was sollte man davon halten?
Während ich so im Dunkeln auf der Kellertreppe stand, dämmerte mir die ganze schreckliche Wahrheit. Mick und Stefan waren alte Bekannte. Stefan hatte Mick bestochen, damit er in der ersten Segelschnupperstunde allen weiblichen Interessenten mit seiner unwiderstehlichen Art das Segeln schmackhaft machte! Und wenn sich dann alle wegen Mick zum Segelkurs angemeldet hatten, brauchte Mick nicht mehr zu kommen. Lediglich die Bestechungssumme musste noch übergeben werden.
Empört schnappte ich nach Luft. Ja, genauso musste es sein. Dieser Stefan wusste nur zu gut, dass sein langweiliger Unterricht allein kein Ansporn war, aber wenn er Mick als Lockvogel einsetzte, konnte er selbst die größten Zweifler überzeugen. Unglaublich! Wer weiß, wie viele Segelkurse er auf diese Art und Weise schon besetzt hatte.
Ich folgte Mick und Stefan um die Hausecke, zurück in das Menschengewimmel in der Kneipe. Mick entdeckte ich an der Theke. Stefan war nicht zu sehen. Sicher war er wieder zu den anderen gegangen.
Vorsichtig pirschte ich mich an Mick heran. Er bestellte sich gerade ein Kölsch. Von der Seite betrachtet, machte er einen äußerst zufriedenen Eindruck. Kein Wunder, das war wirklich leicht verdientes Geld gewesen. Wie viel mochte Stefan ihm dafür bezahlt haben, dass er sich einen Abend ins Mutter-Teresa-Heim gesetzt und seine Sympathie verströmt hatte? Wie viel waren wir ihm wohl wert?
Ich beschloss, der Sache sogleich auf den Grund zu gehen. Die anderen würden mich sowieso nicht vermissen. Wahrscheinlich hatten sie nicht einmal gemerkt, dass ich überhaupt weg war.
Als der Mann neben Mick seinen Platz räumte, nutzte ich die Gunst der Sekunde und schob mich blitzschnell auf den freigewordenen Barhocker.
»Hallo«, sagte ich.
Mick musterte mich wohlwollend, dann lächelte er. Er konnte wirklich überzeugend lächeln. Leider schien er mich nicht wiederzuerkennen.
»Ich bin Mick, man nennt mich auch Micky, und wer bist du?«, fragte er.
»Judith«, antwortete ich.
»Schnucklig«, meinte Mick. »Bist du allein hier?«
»Nicht direkt.« Ich wusste nicht so recht, wie ich das Gespräch auf das Thema Bestechung lenken sollte. Glücklicherweise kam mir Mick unbeabsichtigt zu Hilfe. Er holte nämlich das weiße Couvert aus seiner Jeans und legte es auf die Theke.
Schwer atmend beugte ich mich vor. Ich musste einfach wissen, wieviel Stefan ihm bezahlt hatte: Einen Hunderter? Zwei?
Mick holte Tabak und Zigarettenpapier aus seiner anderen Hosentasche und begann sich eine Zigarette zu drehen. Bevor er das Papier zusammenklebte, griff er in Stefans Umschlag und holte ein paar bräunliche Krümel heraus, die er auf den Tabak bröselte. Mein Gehirn arbeitete fieberhaft. Bei den Krümeln konnte es sich natürlich um pulverisierte Fünfzigmarkscheine handeln, es konnte aber auch …
»Rauschgift!«, entfuhr es mir entsetzt. Stefan hatte Mick mit Rauschgift bezahlt.
»Ach was, das ist bloß grüner Afghane«, erklärte Mick. »Willst du dir auch eine drehen?«
»Äh, ja«, sagte ich.
Meine Gehirnzellen arbeiteten auf Hochtouren. Meine Lockvogeltheorie konnte ich vergessen. Sollte Stefan am Ende mit Drogen dealen? Vom Segelunterricht allein konnte er sich jedenfalls diesen dicken BMW-Kombi nicht leisten, mit dem er durch die Gegend brauste.
Ja, jetzt fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren.
Mick hatte sich die fertiggerollte Zigarette angezündet und ein paarmal tief inhaliert. Die Zigarette zwischen den Lippen, begann er eine zweite zu rollen. »Für dich, Schnuckelchen.«
»Vielen Dank!« Zitternd nahm ich das belastende Indiz entgegen. Etwas irritiert beobachtete Mick, wie ich es in meiner Jeanstasche verschwinden ließ.
»Für später«, erklärte ich ihm.
Mick fand das nicht weiter verdächtig. Er lächelte sein überwältigend schönes Lächeln.
»Ich will mir die harten Sachen ja abgewöhnen«, vertraute er mir an. »Zu teuer. Koks gibt es nur noch am
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