Fisherman's Friend in meiner Koje - Gier, K: Fisherman's Friend in meiner Koje
das klang! Als seien Allergiker die besseren Menschen.
Ich wandte mich seufzend ab. Zwar musste ich Stefan insgeheim dafür bewundern, wie er es schaffte, nach außen hin den langweiligen, harmlosen Hypochonder zu mimen und damit Lichtjahre von seinem wahren Ich abzulenken, aber für mich war dieser Abend ein verlorener Abend.
Wieder mal hatte ich mir den falschen Platz ausgesucht. Alle anderen amüsierten sich prächtig, vor allem Dirk und Rebecca. Sie lachte so sehr über irgendetwas, was er gesagt hatte, dass sie vor lauter Erschöpfung ihren Kopf an seine Schulter legen musste. Rosi und Ursel fragten sich gegenseitig die Schallsignale ab, der Rest erzählte sich Witze.
»Kommt ein Hai mit einer alten Schwimmflosse angeschwommen und sagt zu seinem Freund: ›Für die einen ist es nur eine Schwimmflosse, für die anderen der längste Kaugummi der Welt‹«, sagte Bernie. »Versteht ihr? Der längste Kaugummi der Welt! Versteht ihr? Hahaha! Versteht ihr?«
Bille war zwar immer noch blasser als sonst, aber sie lachte sich schimmelig. Niemand wäre auf den Gedanken gekommen, dass nebenan ihr Freund saß und sich am Ohrläppchen herumnuckeln ließ.
Als wir endlich gingen, war der Tisch von Burghart und Melanie in der Ecke bereits leer.
Am Sonntag darauf hatten wir die erste Übungsstunde für den Sportbootführerschein See. Dafür stand uns im Rheinauhafen ein größeres Motorboot und ein unbekannter, natürlich bärtiger Skipper zur Verfügung. Es war eiskalt, die Wolken hingen tief über dem Wasser, ein kräftiger Wind blies uns vereinzelte Graupelkörner ins Gesicht. Rebecca und ich hatten uns in Skianoraks gehüllt, Skimützen und Skihandschuhe übergestreift. Ich hatte sogar eine lange Unterhose an und kam mir ausgesprochen vernünftig und professionell vor.
Als wir aber an der Kaimauer auf die anderen trafen, konnte ich sogleich erkennen, dass erfahrene Segler auch über entsprechende Garderobe verfügten. Heinrich und Ursel waren mit blau-weiß-roten Segelhosen und Jacken bekleidet und mit passenden Gummistiefeln, Handschuhen und Kapitänsmützen ausgestattet. Auch Fred und Rosi sahen professionell aus, nur dass Rosi zu ihrer Segeljacke einen breitkrempigen Cowboyhut mit goldenen Troddeln trug. Der Hut wurde nur von einem Gummiband unter dem Kinn daran gehindert, vom Wind davongetragen zu werden.
Wir waren alle ein wenig aufgeregt, und Stefan unternahm nichts, um uns die Angst zu nehmen.
»Verdammt stürmischer Tag, um das erste Mal aufs Wasser zu gehen«, sagte er nur. Alles Weitere überließ er dem fremden Skipper.
»Warum machst du das nicht mit uns?«, fragte Rosi enttäuscht.
»Ich bin Segellehrer, für diesen Binnengewässerpipifax unter Motor bin ich nicht zuständig«, erwiderte Stefan und setzte sich mit hochgeschlagenem Jackenkragen in die hinterste Ecke des Bootes.
Unsere Angst war eigentlich unberechtigt. Die Bedienung des Schiffes war nämlich so simpel wie die eines Autoscooters. Es gab drei Vorwärtsgänge und einen Rückwärtsgang sowie einen Leerlauf, den man immer dann einlegen sollte, wenn einem etwas in die Quere kam, das von der Schiffsschraube zerkleinert werden konnte.
Wenn man dann aber hinterm Steuer stand, machte das Boot, was es wollte. Es fuhr mal hierhin, mal dorthin, nur nicht unbedingt dahin, wo man es eigentlich haben wollte.
»Das ist völlig normal«, beruhigte uns der Skipper. »Jedenfalls am Anfang.«
Der Reihe nach mussten wir den Motor anlassen und eine Runde im Hafen drehen. Von der Hafenmauer wegzukommen war leichter, als sich einen Popel aus der Nase zu bohren, schwieriger waren dagegen die Anlegemanöver. Aber hier zeigte sich, wie nützlich die Fender waren, die mit – ich überprüfte es – Webeleinsteks an der Reling befestigt waren. Auch wenn man mal etwas zu steil oder zu schnell auf die Hafenmauer zusteuerte oder der Wind dem Boot einen zusätzlichen Schubs verpasste, konnte so ein Fender immer noch das Schlimmste verhindern. Die Dinger waren schrecklich robust. Es wäre eine Überlegung wert, sie im Straßenverkehr einzuführen.
Als alle einmal abgelegt hatten, erklärte uns der Skipper das Mann-über-Bord-Manöver. Alles in allem schien es mit ein bisschen Übung kein großes Kunststück zu sein, zumal wir es natürlich nicht mit einem echten Mann, ja nicht mal mit einem Dummi versuchten, sondern lediglich mit einem Rettungsreifen. Daher durften wir auch nicht »Mann über Bord« rufen, sondern lediglich »Boje über Bord«, eine Feststellung,
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