Fisherman's Friend in meiner Koje - Gier, K: Fisherman's Friend in meiner Koje
Abend gegessen, anschließend wurde das BR-Schein-Quiz gespielt, dann ging es zum Waschen und Zähneputzen in die Waschräume. Punkt zehn Uhr wurden die Schotten dichtgemacht. Hannes, Bernie und Dirk versuchten zwar mehrfach, längeren Ausgang zu erwirken, aber wenn sie sich nach zehn Uhr an Bord schlichen, erwachte Ursel und hielt ihnen eine Standpauke zum Thema Rücksichtslosigkeit und Egoismus, die ihnen tagelang Gewissensbisse verursachte.
»Du und Dirk, ihr könntet euch doch in Burgtiefe ein Hotelzimmer nehmen«, schlug ich Rebecca vor, aber sie sagte, das sei zu teuer. Ich vermutete, dass es ihr im Grunde gar nicht so unlieb war, die Sache noch etwas aufzuschieben. Ihre Laune jedenfalls war trotz allem blendend. Auch zu viert, wenn die Mannschaft des Bruderschiffes längst schlief, amüsierten wir uns prächtig.
Tagsüber übten wir vor der Insel Wenden, Halsen und Mann-über-Bord-Manöver. Einmal umrundeten wir in einem Tag die ganze Insel. Dabei wurden wir immer besser, schneller und sicherer.
Unser Bruderschiff dagegen übte noch einen ganzen Tag lang Hafenmanöver und wagte sich erst am übernächsten Tag wieder aufs Meer hinaus, und auch dann stets in Strandnähe. Wir erkannten sie von weitem an den orangeroten Schwimmwesten am Heck.
»Da ist sie wieder, die Theorie 1 «, sagte Jack zum Beispiel, wenn er die True Love durch das Fernglas gesichtet hatte. »Meine Güte, die stehen ja fast. Unser Bruderschiff, das Ruderschiff.«
»Aber kulinarisch betrachtet sind sie das bessere Boot«, sagte Stefan dann, und wir widersprachen ihm nicht. Seit Jack und ich ein widerlich pampiges Gericht aus Paprikastückchen, Zwiebeln und roten Bohnen aus der Dose gekocht hatten, das wir hochtrabend Chili con carne genannt hatten, hatte Stefan beschlossen, dass es doch besser sei, künftig auswärts zu essen.
»Diesen Fraß kann man nicht mal den Schwänen zumuten«, sagte er. »Ganz zu schweigen von meiner Magenschleimhaut. Ich wundere mich ohnehin, dass ich bis jetzt noch keine Magenverstimmung hatte – bei dem Stress hätte ich längst flachliegen müssen.«
Wir probierten an jedem Abend ein anderes Restaurant in Burgtiefe aus und ließen unsere Konserven ungenutzt. Es war zwar bedeutend teurer, als sich selbst zu verpflegen, aber es lohnte sich.
»Allein des Spülens wegen«, meinte Rebecca zufrieden. »Und außerdem riecht es bei uns nie nach Essen.«
Jeden Morgen schliefen wir ein bisschen länger – nicht einmal der Wetterbericht konnte uns aus dem Schlafsack scheuchen. Es war kein Problem, die Wettervorhersage aus dem Logbuch der True Love abzuschreiben. Ursel und Heinrich wären empört gewesen, hätten sie davon erfahren, aber Dirk und Bernie schmuggelten das Logbuch allmorgendlich heimlich zu uns herüber. Das war ihre Art, gegen das strenge Regime zu rebellieren. Sie bekamen dafür Dosenbier und Lila Pausen von uns, beides Köstlichkeiten, die aus gesundheitlichen Gründen auf der True Love verboten waren.
Unser Biervorrat schmolz rapide dahin. Aber nicht nur die Männer waren dafür verantwortlich. Zu unserer Schande muss ich gestehen, dass wir Frauen ordentlich mittranken, Ursel natürlich ausgenommen. Und wenn in diesen Tagen jemand über das Deck taumelte, dann war es nicht Jack, sondern meistens ich. Vor allem in Gummistiefeln hatte ich nach zwei Dosen Bier meinen Gleichgewichtssinn einfach nicht mehr unter Kontrolle.
Stefan behielt ich natürlich trotzdem jederzeit scharf im Auge, aber bis jetzt hatte er sich meines Wissens mit keinem Kontaktmann getroffen. Er verhielt sich völlig unverdächtig, nicht wie jemand, der Kokain im Wert von zigtausenden in seiner Lade versteckt hielt. Das Paket lag noch an seinem Platz, ich schaute zur Sicherheit jeden Tag nach. Es war schon seltsam: Sosehr ich diesen Nervenkitzel anfangs auch genossen hatte – jetzt ertappte ich mich mehr und mehr dabei, mir Stefan als einen ganz gewöhnlichen Menschen ohne irgendwelche kriminellen Nebentätigkeiten zu wünschen. Und ohne Angela natürlich. Sie und das Paket waren die einzigen Wermutstropfen, die den Glanz dieser herrlichen Tage trübten.
Am Tag vor der Ankunft von Bille, Rosi und Fred stürmte und regnete es wieder heftig. Obwohl wir uns von Kopf bis Fuß vermummten, schien die Feuchtigkeit in unsere Kleidung und selbst in die Schlafsäcke einzudringen – es war ziemlich ungemütlich. An Segeln war nicht zu denken.
»Jedenfalls nicht mit euch Anfängern«, sagte Stefan und bestellte uns zusammen mit der Crew
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