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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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beigetragen, auch ich, obwohl ich statt Geld nur die Kerzen für die Laternen geben konnte. An Bord sind Soldaten, und sie eskortiert die Frachter zwischen hier und Hohenheide. Dort wartet die Sturmreiter und begleitet sie weiter die Küste hinauf.«
    »Das wusste ich nicht.« In der Burg hatte ich davon nichts gehört, und es bedrückte mich, dass selbst Burgstadt ohne Wissen oder Einverständnis des Königs eigene Schutzmaßnahmen ergriff. Ich sagte ihr das.
    »Nun, unsereiner muss tun, was er kann, wenn König Listenreich scheinbar nichts anderes zu tun weiß, als mit der Zunge zu schnalzen und mit der Stirn zu runzeln. Er hat gut reden hinter seinen dicken Mauern. Schließlich braucht er keine Angst zu haben, dass sein Sohn oder Bruder oder Töchterchen den Schurken in die Hände fällt.«
    Es beschämte mich, dass mir nichts einfiel, um meinen König zu verteidigen, und es war die Scham, die mich zu der Bemerkung veranlasste: »Nun, du hast hier im Schatten der Burg fast ebenso wenig zu befürchten wie der König selbst.«
    Molly sah mich mit einem ernsten Blick an. »Ich hatte einen Vetter, der in Ingot Lehrling war.« Sie machte eine Pause, dann meinte sie leise: »Hältst du mich für gefühllos, wenn ich sage, dass uns ein Stein vom Herzen fiel, als wir von seinem Tod hörten? Ungefähr eine Woche lang wussten wir nichts Genaues, aber dann erhielten wir Nachricht von einem, der seinen Tod miterlebt hatte. Mein Vater und ich, wir waren beide erleichtert. Sein Leben war zu Ende, er hatte seinen Frieden, und wir konnten um ihn trauern. Wir brauchten uns nicht länger zu fragen, ob er noch lebte, fast wie ein Tier in der Gegend herumstreifte,
seinen Mitmenschen zur Last fiel und sich selbst nur Schande machte.«
    Ich suchte nach Worten, schließlich brachte ich nur ein »Tut mir leid« heraus. Es klang dennoch unpassend, deshalb streichelte ich über ihre regungslose Hand. Im ersten Moment empfing ich keine Signale von ihr, als hätte der Schmerz sie in einen ähnlichen Zustand innerlicher Leere versetzt wie eine Entfremdete, aber dann stieß sie einen Seufzer aus, und ich konnte sie wieder neben mir fühlen. »Und wenn nun der König vielleicht auch keinen Rat weiß?«, gab ich zu bedenken. »Vielleicht ist er um eine Lösung verlegen, genau wie wir.«
    »Er ist der König!«, hielt sie mir entgegen. »Und heißt Listenreich, um listenreich zu sein. Die Leute munkeln, dass er nichts unternimmt, weil ihn das weit billiger kommt. Weshalb seinen eigenen Schatz angreifen, wenn verzweifelte Kaufleute auf eigene Kosten Söldner anheuern? Aber genug davon …« Sie hob die Hand, um alle meine Einwände abzuwehren. »Wir sind nicht hier an diesen friedlichen und angenehm kühlen Platz gekommen, um über Politik und die schlechten Zeiten zu reden. Erzähl mir lieber, was es bei dir Neues gibt. Hat die gefleckte Hündin inzwischen ihren Wurf?«
    Also redeten wir von anderen Dingen. Von Tüpfels Welpen und dass der falsche Hengst eine deckfähige Stute besprungen hatte, und dann berichtete sie mir, wie sie für die Kerzen Grünzapfen gesammelt und Brombeeren gepflückt hatte und wie viel Arbeit sie in der nächsten Zeit mit dem Einmachen, dem Laden und dem Kerzenziehen haben würde.
    Wir plauderten, aßen und tranken und schauten zu, wie die Abendsonne dem Horizont entgegensank. Ich empfand die Spannung zwischen uns als angenehm und fühlte mich wie in
einem wundersamen Schwebezustand. Für mich war das eine Erweiterung meines merkwürdigen neues Sinnes, und deshalb staunte ich, dass Molly sich dessen ebenfalls bewusst zu sein schien. Ich hätte gerne mit ihr darüber geredet, sie gefragt, ob sie auch andere Menschen in ähnlicher Weise wahrnahm. Doch ich fürchtete mich wie bei Chade zu verraten, außerdem könnte sie sich von meiner Andersartigkeit abgestoßen fühlen wie Burrich. Besser, ich behielt meine Gedanken für mich.
    Später begleitete ich sie durch die wie ausgestorbenen Gassen nach Hause und wünschte ihr vor der Ladentür gute Nacht. Sie zögerte einen Moment, als wollte sie noch etwas sagen, aber dann warf sie mir einen rätselhaften Blick zu und sagte, bevor sie hineinging, leise: »Gute Nacht, Neuer.« Unter einem tief dunkelblauen, von glitzernden Sternen übersäten Himmel machte ich mich auf der steilen, gewundenen Straße auf den Rückweg, ging an den Torwachen und ihrem unvermeidlichen Würfelspiel vorbei zu den Stallungen, um dort noch nach dem Rechten zu sehen. In den Ställen herrschte überall

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