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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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ungewöhnlich waren seine Aufgewecktheit. Ich wusste von meinen zaghaften Versuchen in den Ställen, dass die meisten Welpen in seinem Alter nur über eine sehr begrenzte Wahrnehmung verfügten und ihr ganzes Sinnen und Trachten ausschließlich auf Mutter und Milch und ihre unmittelbaren Bedürfnisse gerichtet war. Dieser kleine Bursche besaß aber eine ausgeprägte Persönlichkeit und ein lebhaftes Interesse an allem, was um ihn herum vorging. Er mochte Lacey,
die ihm kleine Leckerbissen zukommen ließ, und war auf der Hut vor Philia, nicht weil sie ihn schlecht behandelte, aber weil sie regelmäßig über ihn stolperte, und kaum hatte er sich einmal mühsam aus dem Schlafkorb herausgearbeitet, um einen Ausflug in die große weite Welt zu unternehmen, da beförderte sie ihn schon wieder dorthin zurück. Mich beschnupperte er eingehend und war begeistert von den Gerüchen nach Pferden und Vögeln und anderen Hunden, und diese Eindrücke glänzten wie Farben in seinem Bewusstsein, bisher nur vage Bilder von Dingen, die für ihn zwar noch keine Gestalt oder Substanz hatten, die ihn aber nichtsdestotrotz faszinierten. Ich ließ ihn an meinen Sinneseindrücken teilhaben, und er geriet vor Begeisterung außer sich, beschnüffelte und beleckte meinen Hals und mein Gesicht. Nimm mich mit. Nimm mich mit und zeig mir alles.
    »… überhaupt zugehört?«
    Ich zog den Kopf ein, weil ich bereits eine Maulschelle von Burrich erwartete, doch dann sah ich die zierliche Frau mit den in die Hüften gestützten Händen vor mir stehen und kehrte in die Wirklichkeit zurück.
    »Ich glaube, mit ihm stimmt etwas nicht«, äußerte die Prinzessin an Lacey gewandt. »Wie er dagesessen ist und den kleinen Hund angestarrt hat. Ich dachte schon, er wäre in eine Art Trance gefallen.«
    Lacey schmunzelte und fuhr ungerührt mit ihrer Häkelarbeit fort. »Mich hat er an Euch erinnert, Mylady, wenn Ihr anfangt, mit Euren Blättern und Ablegern zu wirtschaften, und ich Euch dann finde, wie Ihr vor den Töpfen mit Erde steht und träumt.«
    »Nun«, verteidigte sich Philia, sichtlich ungehalten, »es ist
etwas anderes, wenn ein Erwachsener seinen Gedanken nachhängt, als wenn ein Junge mit offenem Mund Maulaffen feilhält.«
    Später, vertröstete ich den Welpen in Gedanken. Laut sagte ich und gab mir Mühe, zerknirscht auszusehen: »Es tut mir leid. Der Hund hat mich abgelenkt.« Der Kleine hatte sich in meine Armbeuge gekuschelt und kaute am Saum meines Wamses. Es ist schwer zu erklären, was ich fühlte. Ich musste Prinzessin Philia meine Aufmerksamkeit schenken, aber dieses kleine Wesen, das sich an mich schmiegte, überflutete mich gleichzeitig mit einer solchen Zufriedenheit. Es kann einem wirklich zu Kopfe steigen, plötzlich im Mittelpunkt der Welt von jemandem zu stehen, selbst wenn dieser Jemand nur ein zwei Monate alter Welpe ist. Mir wurde plötzlich klar, wie unsäglich einsam ich mich lange Zeit gefühlt hatte. »Vielen Dank für das Geschenk«, fügte ich hinzu und war selbst überrascht von dem Ernst in meiner Stimme. »Ich danke Euch sehr.«
    »Es ist nur ein Hund«, meinte Prinzessin Philia, und zu meiner Verwunderung wirkte sie fast beschämt. Sie wandte sich ab und richtete den Blick wieder aus dem Fenster. Der Welpe leckte sich die Nase und schloss die Augen. Warm. Schlafen. » Erzähl mir von dir«, verlangte sie unvermittelt.
    Ich war verblüfft. »Was möchtet Ihr wissen, Mylady?«
    Sie schlug ungeduldig mit der Hand durch die Luft. »Womit füllst du deine Tage aus? Was hast du gelernt?«
    Also erzählte ich ihr von meinem Tun und Treiben, aber ich konnte sehen, dass sie das nicht zufriedenstellte. Bei jeder Erwähnung von Burrichs Namen kniff sie die Lippen zusammen. Meine Waffenübungen beeindruckten sie ganz und gar nicht. Und von Chade durfte ich nichts verraten. Nur als ich den Unterricht
in Sprachen, Schreiben und Lesen erwähnte, rang sie sich ein kurzes, beifälliges Kopfnicken ab.
    »Nun«, warf sie ein, »wenigstens bist du nicht vollkommen unwissend. Wer lesen kann, besitzt das Rüstzeug, alles zu lernen. Falls er den Willen dazu hat. Hast du den Willen zu lernen?«
    »Ich glaube schon« antwortete ich zurückhaltend. Ich ärgerte mich über ihre arrogante Art, all das herabzusetzen, was ich mir im Schweiße meines Angesichts an Wissen und Fähigkeiten angeeignet hatte.
    »Dann wirst du lernen. Denn ich habe den Willen, dich zu bilden, selbst wenn es dir vorerst noch an Bildung mangelt.« Der plötzliche

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