Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher
verbunden zu bleiben, so dass er sich nie wirklich einsam fühlte und während meiner Abwesenheit ein jämmerliches Geheul anstimmte. Aber das erforderte sehr viel Übung, deshalb war ich mit den Gedanken nie ganz bei meiner Arbeit. Burrich runzelte deswegen die Stirn, doch ich konnte ihm glaubhaft machen, der Grund wären meine Sitzungen bei Philia. »Ich habe keine Ahnung, was diese Frau von mir will«, klagte ich ihm am dritten Tag mein Leid. »Gestern war es Musik. Innerhalb von zwei Stunden sollte ich die Harfe spielen, die Meerpfeifen und schließlich die Flöte. Jedes Mal, wenn ich so weit war, dem einen oder anderen Instrument ein paar Töne zu entlocken, nahm sie es mir weg und drückte mir ein anderes in
die Hand. Sie beendete den Unterricht damit, dass sie mir sagte, ich hätte kein Talent für Musik. Heute Morgen fing sie mit Lyrik an. Sie hatte sich vorgenommen, mich das Gedicht über Königin Heilgesund und ihren Garten zu lehren. Es ist ein langes Werk über sämtliche Kräuter in diesem Garten und ihre Eigenschaften. Sie verwechselte die Zeilen und wurde zornig, wenn ich es genauso wiederholte, wie sie es mir vorgesagt hatte. Ich müsste doch wissen, dass Katzenminze nicht für Breiumschläge geeignet wäre, und ob ich mich über sie lustig machen wolle? Es war fast eine Erleichterung, als sie sagte, sie hätte meinetwegen Kopfschmerzen und wir müssten aufhören. Als ich mich ihr anbot, ihr zur Linderung Knospen vom Frauenhandstrauch zu bringen, richtete sie sich kerzengerade auf und sagte: ›Aha! Ich wusste, dass du mich verspottest!‹ Wie soll ich es ihr nur recht machen, Burrich?«
»Weshalb willst du es denn unbedingt?«, knurrte er, womit ich das Thema lieber fallen ließ.
An diesem Abend erhielt ich Besuch von Lacey. Sie klopfte, trat ein und rümpfte die Nase. »Du musst ein paar Handvoll Duftkräuter ausstreuen, wenn der Hund hier im Zimmer bleiben soll. Und nimm Essigwasser zum Aufwischen. Es riecht wie im Stall.«
»Leider hast du Recht«, gab ich zu, dann sah ich sie an und wartete.
»Ich bringe dir das hier. Weil du damit am besten zurechtgekommen bist.« Sie hielt mir die Meerpfeifen hin. Ich schaute auf die kurzen, dicken, mit Lederriemen gebündelten Röhren. Tatsächlich hatten sie mir von allen Instrumenten am meisten zugesagt. An der Harfe störten mich die vielen Saiten, und selbst von Philia gespielt, klang mir die Flöte zu schrill.
»Kommst du im Auftrag von Prinzessin Philia?«, fragte ich verwirrt.
»Nein. Sie weiß nicht, dass ich die Pfeifen genommen habe. Falls sie sie vermisst, wird sie glauben, dass sie irgendwo in ihrem Durcheinander begraben sind, wie gewöhnlich.«
»Und was soll ich damit?«
»Üben. Sobald du ein oder zwei Melodien gelernt hast, spiel ihr etwas vor.«
»Warum?«
Lacey seufzte. »Weil sie sich dann freut. Und wenn sie sich freut, ist auch mein Leben um vieles einfacher. Es gibt nichts Schlimmeres, als Zofe bei jemandem zu sein, der so tief betrübt ist wie Prinzessin Philia. Sie möchte bei dir unbedingt irgendein besonderes Talent entdecken, damit sie dich herumzeigen und allen sagen kann: ›Seht ihr, ich habe euch gesagt, er ist etwas ganz Besonderes.‹ Nun, ich habe Söhne, und ich weiß, man braucht ein wenig Geduld mit den Buben. Solange man hinschaut, ändert sich nichts bei ihnen, sie werden nicht größer, nicht schlauer, nicht gesitteter, aber wenn man sich nur für einen Moment abwendet und wieder umdreht, sind sie unversehens junge Männer und bezaubern jeden, außer ihre eigenen Mütter.«
Ich verstand nicht ganz, was sie meinte. »Du möchtest, dass ich lerne, auf der Meerpfeife zu spielen, um Prinzessin Philia einen Gefallen zu tun?«
»Damit sie glauben kann, sie hätte dir etwas zu geben.«
»Sie hat mir Fäustel gegeben. Kein anderes Geschenk könnte größer sein.«
Mein plötzlicher Ernst überraschte Lacey. Mich nicht minder. »Nun, das kannst du ihr sagen. Aber es schadet auch nicht,
wenn du dich mit Musik befasst oder eine Ballade auswendig lernst oder eins der alten Lieder. Das versteht sie vielleicht besser.«
Nachdem Lacey gegangen war, saß ich da und grübelte, hinund hergerissen zwischen Ärger und Schuldbewusstsein. Philia wollte stolz auf mich sein und hatte den Ehrgeiz, bei mir eine besondere Fähigkeit zu entdecken. Als hätte ich in meinem bisherigen Leben noch nie etwas getan oder geleistet. Doch bei näherem Hinsehen stellte ich fest, dass ihre recht bescheidene Meinung von mir nicht ganz
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