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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Sohn Listenreich in der Gabe unterwiesen und war inzwischen alt geworden. Deshalb ersuchte sie König Wohlgesinnt um die Erlaubnis, einen Lehrling ausbilden zu dürfen, und er gewährte ihr diesen Wunsch. Galen war ein Favorit der Königin, und auf Drängen der Gemahlin des Kronprinzen wählte Solizitas Galen zu ihrem Famulus und Nachfolger. Zu der damaligen Zeit, wie auch heute noch, blieb die Gabe den Bastarden des Hauses der Weitseher versagt, aber manifestierte sie sich unerwartet bei jemandem, der nicht königlichen Blutes war, wurde sie gefördert und belohnt. Unzweifelhaft gehörte Galen zu diesen besonders Begabten, ein Knabe, dessen offensichtliche Veranlagung schließlich bald die Aufmerksamkeit eines Gabenmeisters erregt hatte.
    Als dann die Prinzen Chivalric und Veritas das Alter erreichten, in der Gabe unterwiesen zu werden, konnte Galen aufgrund seiner Fortschritte bereits einen Teil ihrer Ausbildung übernehmen, obwohl er nur etwa ein Jahr älter war als sie.

    Für kurze Zeit befand sich mein Leben im Gleichgewicht. Die Befangenheit Prinzessin Philia gegenüber wandelte sich nach und nach zu einem beiderseitigen stillschweigenden Einverständnis, dass wir niemals ein unbefangenes, familiäres Verhältnis zueinander haben würden. Keiner von uns hatte das Bedürfnis, dem anderen seine Gefühle mitzuteilen. Wir wahrten höflichen Abstand. Trotzdem lernten wir uns recht gut kennen und verstehen. Hätte man unsere Beziehung mit einem Tanz vergleichen wollen, dann gab es zwischen uns doch auch Augenblicke echter Heiterkeit, und manchmal tanzten wir sogar nach derselben Musik.
    Sobald sie sich einmal von der Vorstellung befreit hatte, mir alles beizubringen, was ein Weitseher-Prinz wissen und können sollte, lernte ich allerhand von ihr. Zumeist jedoch nicht das, was sie mich eigentlich zu lehren beabsichtigte. Auf dem Gebiet der Musik erzielte ich mit der Zeit einige Fortschritte, aber nur durch lange Stunden des Übens allein in meinem Zimmer. Ich war nicht so sehr ihr Page als vielmehr ihr Laufbursche, und in dieser Eigenschaft lernte ich viel über die Geheimnisse der Parfümherstellung. Außerdem bot sich mir reichlich Gelegenheit, mein botanisches Wissen zu vergrößern. Selbst Chade war begeistert über meine neu erworbenen Kenntnisse in der Pflanzenaufzucht durch Wurzel- und Blattstecklinge, und er verfolgte interessiert Prinzessin Philias und meine kühnen Experimente, die darin bestanden, den Zweig eines Baumes auf einen anderen zu pfropfen und weiterwachsen zu lassen, wovon aber nur wenige von wirklichem Erfolg gekrönt waren. Bis zum heutigen Tag steht im Frauenhag ein Apfelbaum, bei dem ein Ast Birnen trägt. Als ich mich von Tätowierungen fasziniert zeigte, verbot sie mir, meinen eigenen Körper als Leinwand zu benutzen, und
begründete das damit, dass ich zu jung für eine solche Entscheidung wäre. Doch ohne die geringsten Bedenken ließ sie mich zusehen und schließlich dabei helfen, unter den präzisen Stichen der in Farben getauchten Nadeln eine Blumengirlande zu tätowieren, die sich um ihren Knöchel schlang und den Unterschenkel hinaufrankte.
    All das entwickelte sich über Monate und Jahre hinweg. Bereits nach zehn Tagen hatte sich zwischen uns eine zwanglose Höflichkeit eingespielt. Sie traf sich mit Fedwren und gewann ihn für ihr Papier-aus-Wurzeln-Projekt. Fäustel wuchs und gedieh derweil und war mit jedem Tag eine größere Freude. Prinzessin Philias Aufträge, die mich in den Ort hinunterführten, gaben mir häufig Gelegenheit, meine Freunde dort zu treffen, besonders Molly, meine unschätzbare Führerin zu den von Duftwolken umwogten Ständen, wo ich die Essenzen für die Parfüms der Prinzessin einkaufte. Die Roten Korsaren und ihre Gräueltaten waren nach wie vor eine düstere Bedrohung am Horizont, aber in diesen Wochen erschienen sie als ferner Schrecken, wie im Hochsommer die Erinnerung an den Schnee und das Eis des Winters. Für kurze Zeit war ich glücklich, und - was ein noch größeres Geschenk war - ich wusste auch, dass ich glücklich war.
    Dann nahte der Tag, an dem ich meine Lehrzeit bei Galen beginnen sollte.
    Am Abend davor schickte Burrich nach mir. Auf dem Weg zu ihm fragte ich mich, für welche Nachlässigkeit ich wohl eine Standpauke von ihm zu erwarten hätte. Er wartete vor dem Stalltor auf mich, wo er unruhig von einem Fuß auf den anderen trat wie ein am kurzen Zügel gehaltener Hengst. Er winkte mir, ihm zu folgen, und ging die Stiege zu seiner Kammer

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