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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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verborgen hielt.«
    Burrichs Gesicht wurde plötzlich tiefrot, und fast glaubte ich, Tränen in seinen dunklen Augen glitzern zu sehen. Er drehte sich auf dem Stuhl zur Seite, so dass er ins Feuer schaute, und ich ahnte, dass wir nun endlich zur Sache kamen, zu dem, was er mir wirklich sagen wollte. Es kostete ihn Mühe. Er musste eine untergründige Angst überwinden, die er sich selbst aber nicht eingestand. Ein geringerer Mann mit weniger Selbstbeherrschung hätte wohl angefangen zu zittern.
    »… habe Angst um dich, Junge.« Seine Stimme war ein tiefes Grollen, und die Worte waren kaum verständlich.
    »Warum?« Eine kurze, einfache Frage löst die Zunge am besten, hatte Chade mich gelehrt.
    »Ich weiß nicht, ob er den Makel der alten Macht in dir erkennen
wird. Oder was er in diesem Fall tun wird. Ich habe gehört … nein, ich weiß, dass es so gewesen ist: Da war eine Frau, genau genommen noch ein Mädchen. Sie verstand sich auf alles, was Federn hatte, auf Vögel genauso wie auf gewöhnliches Federvieh. Sie lebte in den Bergen westlich von hier, und man erzählte, sie könne einfach so einen wilden Falken vom Himmel zu sich rufen. Einige Leute verehrten sie dafür. Man brachte ihr krankes Federvieh oder rief sie, wenn die Hühner keine Eier legen wollten. Wie ich hörte, soll sie nur Gutes getan haben. Doch Galen erhob seine Stimme gegen sie. Sagte, sie sei ein widernatürliches Geschöpf, man dürfe nicht zulassen, dass sie ihrerseits noch weitere Missgeburten in die Welt setzte. Und eines Morgens fand man sie auf, einfach totgeschlagen.«
    »Galen hat es getan?«
    Burrich zuckte die Schultern. »Sein Pferd stand in jener Nacht nicht im Stall, soviel kann ich beschwören. Seine Hände waren grün und blau, und er hatte Kratzer im Gesicht und am Hals. Aber nicht Kratzer von den Fingernägeln einer Frau, sondern Krallenspuren, als hätte ein Falke sich auf ihn gestürzt.«
    »Und du hast nichts gesagt?«, fragte ich ungläubig.
    Er stieß ein bitteres Lachen aus. »Ein anderer kam mir zuvor. Galen wurde von dem jungen Vetter des Mädchens, der zufällig hier in den Ställen arbeitete, des Mordes beschuldigt. Galen stritt es auch gar nicht ab. Sie gingen hinaus zu den Zeugensteinen, um dort einen Zweikampf auszutragen, im Namen und der Gerechtigkeit von El, der an jenem Ort dem Wahrhaftigen den Sieg gewährt. Das Urteil, das dort gefällt wird, steht über der Gerichtsbarkeit des Königs und darf von niemandem angefochten werden. Der Junge starb. Jedermann sagte nun, Els Richterspruch wäre gewesen, dass der Junge Galen fälschlich
beschuldigt hätte. Als Galen das hörte, antwortete er darauf, Els Richterspruch wäre es gewesen, dass das Mädchen sterben solle, bevor es Kinder in die Welt setzen könne, was auch für ihren verderbten Vetter gälte.«
    Burrich verstummte. Ich fühlte eine kalte Angst in mir aufsteigen. Eine Anschuldigung, über die bei den Zeugensteinen entschieden worden war, durfte nicht wieder erhoben werden. Das war mehr als Menschengesetz, das war der Wille der Götter. Ich bekam als Lehrer einen Mann, der ein Mörder war, einen Mann, der versuchen würde, mich zu töten, falls er den Verdacht schöpfte, dass ich die alte Macht besaß.
    »Ja«, nickte Burrich, als hätte ich laut gedacht. »Fitz, mein Sohn, sei vorsichtig, sei klug.« Einen Moment lang war ich erstaunt, denn es hörte sich tatsächlich an, als hätte er Angst um mich, aber sogleich fuhr er fort: »Mach mir keine Schande, Junge. Oder deinem Vater. Galen soll nicht sagen können, dass ich den Sohn meines Herrn als halbes Tier habe aufwachsen lassen. Beweise ihm, dass Chivalrics Blut rein in deinen Adern fließt.«
    »Ich werde es versuchen«, antwortete ich kleinlaut. An diesem Abend legte ich mich genauso angstbeladen wie niedergeschlagen zu Bett.
    Der Königin Sommerfrische befand sich nicht im Zwinger, in der Nähe des Frauenhags oder des Küchengartens, man fand sie vielmehr auf dem flachen Dach eines runden Turms. Die dem Meer zugewandte Seite war von hohen Umfassungsmauern umgeben, was Schutz vor feindlichen Angriffen und vor dem rauen Wind bot. Zum Burghof hin zogen sich an einer niedrigeren Brustwehr steinerne Sitzbänke entlang. Die Luft dort oben lag still im Raum, als hätte mir jemand die Hände über die Ohren gelegt. Eine wilde Trostlosigkeit ging von diesem auf Stein gegründeten
Garten aus. Es gab dort marmorne Becken, die ehemals vielleicht Vogelbäder oder künstliche Tümpel für Seerosen gewesen sein

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