Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
mich immer wieder dorthin. Burrichs Tage verstrichen voller Pflichterfüllung, und an den Abenden genoss er die Gelage des Frühlingsfestes. Er achtete wenig auf mein Kommen und Gehen, solange er mich bei Dunkelwerden auf meinem Nachtlager bei der Feuerstelle fand. Ich glaube, er hatte keine Ahnung, was er mit mir anfangen sollte, außer dafür zu sorgen, dass ich tüchtig aß, um groß und stark zu werden, und nachts in der Sicherheit seiner Kammer schlief. Er hatte es zu der Zeit auch nicht leicht als Chivalrics Gefolgsmann. Was sollte aus ihm werden, nachdem sein Herr in Ungnade gefallen war? Das muss ihm schwer auf der Seele gelegen haben. Dazu kam die Sache mit seinem Bein. Trotz seiner Kenntnisse in der Heilkunde schien er sich selbst nicht so leicht kurieren zu können, wie es ihm bei seinen Tieren gelang. Ein- oder zweimal sah ich die Verletzung ohne Verband, und mir grauste beim Anblick der gezackten Wunde, die nicht heilen wollte, sondern immer rot und geschwollen blieb und nässte. Anfangs verfluchte Burrich die Wunde in wüstesten Tönen und biss grimmig die Zähne zusammen, wenn er sie jeden Abend von neuem reinigte und verband, doch so wie die Tage vergingen und keine Besserung eintrat, betrachtete er sie zunehmend mit dumpfer Verzweiflung. Irgendwann klang die Entzündung ab,
zurück blieb jedoch eine wulstige Narbe, die sein Bein behinderte und ihn zum Hinken zwang. Kein Wunder, dass er kaum einen Gedanken an einen kleinen Jungen verschwendete, der ungefragt in seine Obhut gegeben worden war.
    Also genoss ich eine Freiheit, wie sie nur Kinder bis zu einem bestimmten Alter erleben, die von den Erwachsenen die meiste Zeit unbeachtet bleiben. Bis zum Ende des Frühlingsfests hatten sich die Torwächter an mein Kommen und Gehen gewöhnt. Aller Wahrscheinlichkeit nach hielten sie mich für einen Botenjungen, von denen es in der Burg viele gab, die nur um weniges älter waren als ich. Ich gewöhnte mir an, morgens in der Küche ein herzhaftes Frühstück für Nosy und mich zu stibitzen, das eine Zeit lang vorhielt. Darüber hinaus Verpflegung zu beschaffen - verkohlte Brotkrusten aus den Backstuben, Muscheln und Tang vom Strand, Räucherfisch von unbewachten Gerüsten - war ein fester Bestandteil meiner täglichen Unternehmungen. Molly Blaufleck und ich wurden mit der Zeit die dicksten Freunde. Nach jenem ersten Mal erlebte ich kaum mehr, dass ihr Vater sie schlug. Meistens war er zu betrunken, um sie zu finden oder, falls doch, um seine Drohungen wahrzumachen. An das, was ich an jenem Tag getan hatte, verschwendete ich kaum noch einen Gedanken, nur war ich ganz froh, dass Molly den Schwächeanfall ihres Vaters nicht mit mir in Zusammenhang brachte.
    Die Stadt wurde meine Welt, mit der Burg als dem Ort, wo ich hinging, um zu schlafen. Es war Sommer, die aufregendste Zeit in einem Hafen. Wohin man ging, überall in Burgstadt herrschte reges Treiben. Aus den Herzogtümern landeinwärts kamen Waren auf flachen Kähnen den Bocksfluss hinunter, bemannt von schwitzenden Flussschiffern. Sie sprachen bedeutsam
von Untiefen und Stromschnellen und Landmarken und dem Schwanken des Wasserpegels. Ihre Fracht wurde in die Geschäfte oder Speicher des Ortes hinaufgekarrt, dann wieder nach unten, zu den Kais und in die Laderäume der Segelschiffe. Auf diesen führten fluchende Seeleute das Regiment, die für die Flussschiffer und ihren begrenzten Horizont nur Geringschätzung übrighatten. Ihre Rede handelte von Gezeiten und Stürmen und Nächten, in denen sich nicht einmal die Sterne hervorwagten, um ihnen den Weg zu weisen. Auch Fischer machten im Hafen von Burgstadt fest, und sie waren die leutseligsten von allen. Einen guten Fang vorausgesetzt.
    Kerry lehrte mich die Gepflogenheiten der Docks und Tavernen und wie ein flinker Bursche drei oder gar fünf Heller am Tag verdienen konnte, indem er Botengänge in den steilen Gassen der Stadt unternahm. Wir fanden es schlau und verwegen, die größeren Jungen zu unterbieten, die zwei Heller oder mehr für einen einzigen Gang verlangten. Ich glaube nicht, dass ich seither je wieder so mutig gewesen bin wie damals. Wenn ich die Augen schließe, nehme ich den Duft dieser glanzvollen Tage wahr: Werg und Teer und frische Holzspäne von den Trockendocks, wo die Schiffsbauer ihre Zugmesser und Fäustel handhabten. Der süße Geruch von ganz frischem Fisch und der Pesthauch eines in der Hitze zu lange zurückgehaltenen Fangs. In der Sonne liegende Wollballen, die den vollmundigen

Weitere Kostenlose Bücher