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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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stand die Sonne bereits am Himmel, und Burrich war fort. Nosy und ich verspeisten den Rest Brot und nagten die übrig gebliebenen Knochen blank, bevor wir die Kammer verließen. Niemand sprach uns an oder schien Notiz von uns zu nehmen.
    Draußen war ein weiterer Tag des Feierns und der Lustbarkeiten angebrochen. In der Burg drängten sich womöglich noch mehr Menschen als zuvor. Zahllose Füße wirbelten den Staub auf, das Stimmengewirr vermischte sich mit dem Rauschen des Windes und dem entfernten Brausen des Meeres. Nosy saugte alles in sich auf, jeden Geruch, jeden Anblick, jedes Geräusch, und gab es an mich weiter. Diese doppelte Sinneswahrnehmung war schwer zu verkraften. Gesprächsfetzen, die ich aufschnappte, verrieten mir, dass unsere Ankunft mit einem traditionellen Frühlingsfest zusammenfiel. Chivalrics Abdankung war immer
noch das Hauptgesprächsthema, aber das hielt weder Puppenspieler noch Akrobaten davon ab, jedes freie Plätzchen zu einer Bühne ihrer Kunst zu machen. Mindestens ein Marionettentheater hatte Chivalrics Missgeschick bereits zu einem derben Schwank verarbeitet; ich stand unerkannt in der Menge und verstand nicht, worüber die Erwachsenen so grölend lachten, wenn davon die Rede war, »auf des Nachbarn Fels zu säen«.
    Doch sehr bald wurden uns beiden die Menschen und der Lärm zu viel, und ich ließ Nosy wissen, dass ich dem Tumult entkommen wollte. Wir verließen die Burg durch das Haupttor, unbemerkt von den Wachen, die mit den ein und aus gehenden Festbesuchern schwatzten und lachten. Ein weiterer Junge mit Hund im Gefolge einer Fischhändlersfamilie war nicht der Beachtung wert. Da sich aber keine interessantere Beschäftigung bot, folgten wir der Familie auf dem Weg vom Burgberg hinunter zu dem Ort, wo wir dann weiter und weiter zurückblieben, weil immer neue Gerüche Nosy veranlassten, an jeder Ecke zu schnüffeln und eine Duftmarke zu setzen, bis wir schließlich beide allein durch die Straßen der Stadt wanderten.
    Burgstadt war zu jener Zeit eher ein zugiges, unwirtliches Dorf, durchzogen von steilen Gassen mit Kopfsteinpflaster, das vom Gewicht der beladenen Fuhrwerke tief zerfurcht war. Der Wind beleidigte meine Landrattennase mit dem scharfen Geruch von faulendem Seetang und Fischabfällen, während sich das Geschrei der Möwen und Meeresvögel über dem rhythmischen Schlagen der Meeresbrandung zu einer geisterhaften Melodie vereinte. Die Häuser klammerten sich an die schwarzen Klippen wie die Schnecken und Muscheln an die Duckdalben und Kais, die in die Bucht hinausragten. Die Häuser waren aus Stein und Holz. Die schmuckeren Behausungen
hatte man weiter oben angelegt und tiefer in den Fels hineingesetzt.
    Im Ort war es ruhig, verglichen mit den Festlichkeiten und Menschenmengen in der Burg. Weder der Hund noch ich hatten den Verstand oder die Erfahrung, um zu wissen, dass die Hafengegend für einen Sechsjährigen und einen Welpen ein gefährliches Pflaster sein kann. In unserem begeisterten Forscherdrang gingen wir, buchstäblich immer der Nase nach, die Straße der Bäcker hinunter, überquerten einen fast leeren Marktplatz und gelangten dann zu den Lagerhäusern und Bootsschuppen, die den untersten Abschnitt des Ortes bildeten. Hier befanden wir uns dicht am Wasser, und der Weg führte streckenweise über hölzerne Stege. In diesem Viertel folgte die Arbeit ihrem gewohnten Gang, kaum beeinflusst von der ausgelassenen Atmosphäre oben in der Burg. Schiffe müssen nach dem Gebot von Ebbe und Flut anlegen und ihre Ladung löschen, und jene, die vom Fischfang leben, folgen dem geheimnisvollen Zeitplan der Meeresgeschöpfe und nicht etwa dem der Menschen.
    Bald trafen wir auf Kinder, einige mit Handlangerdiensten für ihre Eltern beschäftigt, andere jedoch Herumstreuner wie wir selbst. Ich hatte mich schnell mit ihnen angefreundet, ohne umständliche Vorstellung oder dem sonstigen Gehabe der Erwachsenen. Die meisten von ihnen waren älter als ich, einige aber genauso jung oder noch jünger. Keiner schien es seltsam zu finden, dass ich allein unterwegs war. Man zeigte mir sämtliche Sehenswürdigkeiten des Ortes, eingeschlossen den aufgedunsenen Kadaver einer Kuh, der von der letzten Flut angeschwemmt worden war. Wir besichtigten ein Dock mit einem im Bau befindlichen Fischerboot, umgeben von Holzspanlocken und stark
riechenden Teerpfützen. Ein Räuchergestell, leichtsinnig unbeaufsichtigt gelassen, versorgte uns mit einer Mittagsmahlzeit. Und wenn die Kinder, mit denen

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