Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher
Bruder zu vergiften.«
»Ihr redet zu schnell«, wies ich sie freundlich zurecht und hoffte, dass mein Lächeln nach außen hin nicht so zittrig und elend wirkte, wie ich mich plötzlich fühlte. »Ich habe nur die Hälfte verstanden.« In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Selbst ein geübter Lügner wie ich fand solch eine direkte Konfrontation unangenehm.
»Ich bitte um Entschuldigung. Aber du sprichst unsere Sprache so gut, als müsstest du dich nur an sie erinnern, statt sie neu zu erlernen. Ich werde noch einmal von vorn beginnen. Vor einigen Wochen, nein, es ist länger als einen Monat her, kam Edel in meine Gemächer. Er bat um ein Abendessen allein, damit wir uns besser kennenlernten und …«
»Kettricken!« Rurisk rief ihren Namen, als er auf der Suche nach uns den Pfad entlangkam. »Edel verlangt nach dir. Er will dich den Lords und Ladies vorstellen, die von so weit hergereist sind, um deiner Vermählung beizuwohnen.«
Jonqui ging dicht hinter ihm, und als der zweite, nun ganz unmissverständliche Schwächeanfall mich packte, glaubte ich in ihrem Gesicht zu erkennen, dass sie verstanden hatte. Welchen Schritt hätte Chade unternommen, fragte ich mich, wenn jemand einen Giftmischer an König Listenreichs Hof geschickt hätte, um Veritas aus dem Weg zu räumen? Alles war viel zu offensichtlich.
»Vielleicht möchte FitzChivalric jetzt gerne die Blauen Fontänen
besichtigen«, schlug Jonqui plötzlich vor. »Litress hat sich erboten, ihn dort hinzuführen.«
»Vielleicht später am Nachmittag«, erwiderte ich angestrengt. »Die Strapazen der Reise haben mir doch zugesetzt. Ich glaube, ich werde mich etwas hinlegen.«
Keinen von ihnen schien das zu überraschen. »Soll ich dir einen Becher Wein bringen lassen?«, erkundigte Jonqui sich mitleidvoll. »Oder vielleicht eine heiße Suppe? Die anderen werden bald zu einem Festmahl gerufen, aber wenn du dich nicht wohl genug fühlst, daran teilzunehmen, dann macht es auch keine Umstände, dir eine Kleinigkeit in dein Gemach zu schicken.«
Die jahrelange Ausbildung kam mir zu Hilfe. Ich hielt mich trotz des plötzlichen Brennens in meinem Bauch aufrecht. »Das wäre sehr freundlich«, sagte ich kurz angebunden. Die kurze Verbeugung, zu der ich mich dann noch zwang, war die reinste Folter. »Ich bin sicher, es geht mir bald wieder besser.«
Damit entschuldigte ich mich, aber weder stürzte ich Hals über Kopf davon, noch krümmte ich mich zusammen oder wimmerte los, um dem brennenden Gefühl nachzugeben. Gemächlich und mit offensichtlichem Interesse an den Pflanzen ging ich durch den Garten zurück zum Eingang der Großen Halle. Die drei schauten mir nach und besprachen sich untereinander über das, wovon wir alle wussten.
Ich hatte nur noch einen Trumpf im Ärmel und nur wenig Hoffnung, mich damit retten zu können. In der Abgeschiedenheit meines Zelts holte ich das Meerbitter hervor, das der Narr mir gegeben hatte. Wie lange war es her, seit ich bei der Begrüßung den Honigkuchen gegessen hatte? Dabei muss es geschehen sein. Ich ergab mich notgedrungen meinem Schicksal und beschloss, dem bereitgestellten Krug mit Wasser zu vertrauen
und nicht auf die warnende Stimme in meinem Hinterkopf zu hören. Vor meinen Augen drehte sich alles, und ich war unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Mit zitternden Händen bröckelte ich das Meerbitter in den Krug. Die getrocknete Pflanzenmasse saugte sich mit Wasser voll und wurde zu einem dicken grünen Klumpen, den ich mühsam herunterwürgte. Ich wusste, es würde meinen Magen und meine Därme von allem befreien. Doch war es noch früh genug, oder hatte das Chyurda-Gift sich bereits zu weit in meinem Körper ausgebreitet?
Ich durchlitt grässliche Stunden, die ich mit Stillschweigen übergehen möchte. Niemand brachte Suppe oder Wein. In lichten Momenten begriff ich, dass sich niemand blicken lassen würde, bis man sicher sein konnte, dass das Werk vollendet war. Morgen früh, überlegte ich. Ein Diener würde geschickt werden, um mich zu wecken und meine Leiche zu finden. Mir blieb also eine Frist bis zum frühen Morgen.
Ungefähr nach Mitternacht fühlte ich mich wieder in der Lage, auf den Beinen zu stehen. So lautlos, wie ich es in meinem benommenen Zustand zuwege brachte, verließ ich mein Gemach und schlich hinaus in den Garten, wo ich eine volle Zisterne entdeckte und so viel Wasser daraus trank, bis ich glaubte zu platzen. Gestärkt ging ich weiter, langsam und vorsichtig, denn ich fühlte
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