Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher
mich wie gerädert, und jeden einzelnen Schritt spürte ich bis unter die Schädeldecke. Doch schließlich stolperte ich zwischen lange Reihen Spalierobst, die noch nicht abgeerntet waren und wo ich mir einen Vorrat an Früchten pflückte und in mein Wams steckte. Das wollte ich als heimlichen Vorrat in meinem Zimmer verstecken, doch sobald es Tag war, musste ich eine Gelegenheit finden, die Stadt zu verlassen, um Rußflocke
einen Besuch abzustatten. In meinen Satteltaschen befand sich noch ein Rest Trockenfleisch und trockenes Brot - und ich hoffte, dass es genug war, um bis zum Ende dieses Besuches davon zehren zu können.
Auf dem Rückweg in mein Zimmer fragte ich mich, was man tun würde, wenn sich herausstellte, dass das Gift nicht gewirkt hatte.
KAPITEL 21
PRINZEN
V on dem Kraut der Chyurda, Carryme, heißt es: »Ein Blatt, um zu schlafen, zwei Blätter, um den Schmerz zu lindern, drei für einen gnädigen Tod.«
Gegen Morgen döste ich schließlich ein, nur um kurz darauf hochzuschrecken, als Prinz Rurisk die Gattertür zur Seite stieß und mit einer übervollen Karaffe in mein Zimmer stürzte. Das lose flatternde Hemd, das er trug, musste sein Nachtgewand sein. Ich sprang so schnell auf, wie ich konnte, und brachte die Bettstatt zwischen uns. Waffenlos, völlig geschwächt und ohne Fluchtmöglichkeit schaute ich ihm entgegen. »Du lebst noch!«, rief er staunend aus, dann streckte er mir die Karaffe entgegen. »Schnell, trink das!«
»Lieber nicht.« Ich wich einen Schritt zurück.
Er bemerkte mein Misstrauen und blieb stehen. »Du hast Gift genommen«, sagte er eindringlich. »Es kommt einem Wunder gleich, dass du noch am Leben bist. Dieser Trank wird es dir aus dem Leib spülen. Vielleicht ist es noch nicht zu spät, um dich zu retten.«
»In mir ist nichts mehr, das man noch ausspülen könnte«, antwortete ich freimütig und musste mich am Tisch festhalten, weil meine Beine nachzugeben drohten. »Ich habe gleich gemerkt, dass ich vergiftet worden war.«
»Und du hast nichts zu mir gesagt?« Fassungslos drehte er sich zur Tür herum, wo Kettricken stand und ängstlich ins Zimmer hineinblickte. Ihre Haargeflecht war halb aufgelöst und ihre Augen vom Weinen rot verquollen. »Das Unheil ist abgewendet, aber das war nicht dein Verdienst«, tadelte er sie streng. »Geh und bereite ihm eine salzige Brühe aus dem Fleisch von gestern Abend. Und bring auch eine süße Pastete mit. Genug für uns beide. Und jetzt beeile dich, törichte Schwester.«
Kettricken raffte ihr Nachthemd zusammen und huschte davon. Rurisk deutete auf das Bett. »Komm. Hab wenigstens so viel Vertrauen, dass du dich hinsetzt. Bevor du mit deinem Schwanken noch den Tisch umwirfst. Ich spreche offen zu dir. Du und ich, FitzChivalric, wir haben keine Zeit, uns argwöhnisch zu belauern. Es gibt vieles zu bereden.«
Ich folgte seiner Aufforderung, weniger, weil ich Zutrauen gefasst hatte, sondern weil ich fürchtete, mich nicht mehr lange auf den Beinen halten zu können. Rurisk ließ sich ohne weiteres auf der Bettkante nieder. »Meine Schwester«, begann er und schüttelte reuevoll den Kopf, »neigt zur Unbesonnenheit. Der arme Veritas wird feststellen, fürchte ich, dass sie noch mehr Kind ist als Frau. Zu einem Teil trage ich die Schuld, ich habe sie zu sehr verwöhnt. Doch obwohl das ihre Liebe zu mir erklärt, entschuldigt es nicht ihren Versuch, einen Gast zu vergiften. Erst recht nicht am Vorabend ihrer Vermählung mit seinem Onkel.«
»Ich glaube, ich hätte auch zu einem anderen Zeitpunkt etwas
dagegen einzuwenden gehabt«, bemerkte ich, worauf Rurisk den Kopf zurückwarf und lachte.
»Das hätte von deinem Vater sein können. Aber ich muss dir einiges erklären. Vor einigen Tagen kam sie, um mir zu sagen, du habest den Auftrag, mich zu ermorden. Ich antwortete, sie solle das meine Sorge sein lassen. Doch, wie bereits gesagt, sie ist sehr impulsiv. Gestern sah sie eine Gelegenheit und ergriff sie beim Schopf. Ohne zu bedenken, welche Auswirkungen der Tod eines Gastes für eine erst nach langwierigen Verhandlungen zustande gekommene Vermählung haben könne. Sie hatte keinen anderen Gedanken mehr als den einen, dich aus dem Weg zu räumen, bevor ihr Bund mit den Sechs Provinzen eine solche Tat undenkbar machte. Ich hätte Verdacht schöpfen sollen, als sie so plötzlich mit dir im Garten verschwand.«
»Die Kräuter, die sie mir zum Kosten gegeben hat?«
Er nickte, und ich kam mir vor wie ein Dummkopf. »Doch
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