Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher
dem Bastard zur Flucht zu verhelfen, und ihm dienst, als wäre er dein König und nicht Veritas. Man wird dich richten.«
»Hat Prinz Veritas das gesagt?«, erkundigte sich Burrich neugierig.
»Allerdings. Er sagte, einst warst du seines Bruders Chivalric bester Gefolgsmann gewesen, doch augenscheinlich hättest du vergessen, wie man jenen dient, die dem König aufrichtig ergeben sind. Er fordert dich auf, dich darauf zu besinnen, und versichert dich seines großen Zorns, falls du nicht zurückkehrst, um vor ihn hinzutreten und die Strafe für deine Taten entgegenzunehmen.«
»Ich besinne mich sehr genau. Ich werde Fitz zu Edel bringen.«
»Auf der Stelle?«
»Sobald er gegessen hat.«
August bedachte ihn mit einem finsteren Blick und ging.
Eine Schiebetür aus dünnen Holzlatten und Seide kann man nicht wirkungsvoll zuschlagen, aber er tat sein Bestes.
»Aber ich kann nichts essen, Burrich«, protestierte ich.
»Das weiß ich. Doch wir brauchen etwas Zeit. Ich habe auf Veritas’ Wortwahl geachtet, und seine Botschaft scheint mir einen Doppelsinn zu enthalten, der August verborgen geblieben ist. Hast du nichts bemerkt?«
Ich nickte betrübt. »Ich habe verstanden, was er uns mitteilen wollte. Doch es übersteigt meine Fähigkeiten.«
»Bist du sicher? Veritas denkt nicht so, und er kennt sich aus in diesen Dingen. Und du hast mir gesagt, Cob hätte deshalb versucht, mich zu ermorden, weil man den Verdacht hegte, du würdest von mir deine Kraft beziehen. Daraus folgt, dass auch Galen überzeugt ist, du hättest diese Fähigkeit.« Burrich kam zu mir und ließ sich schwerfällig auf ein Knie nieder, während er sein lahmes Bein unbeholfen nach hinten streckte. Er nahm meine kraftlose Hand und legte sie auf seine Schulter. »Ich war des Königs Mann für Chivalric«, sagte er feierlich. »Veritas wusste es. Ich selbst besitze nicht die Gabe. Doch Chivalric gab mir zu verstehen, dass die Gabe nicht so entscheidend sei wie die Gabe der Freundschaft zwischen uns. Ich habe Kraft, und es gab einige Gelegenheiten, bei denen er diese Kraft brauchte, und ich gab sie ihm bereitwillig. Also habe ich dem früher bereits standgehalten und unter widrigeren Umständen. Versuch es, Junge, wenn wir scheitern, scheitern wir, aber wenigstens haben wir es versucht.«
»Ich weiß nicht, wie ich es anstellen soll. Ich verfüge nicht über die Gabe, und erst recht weiß ich nicht, wie man sich dazu der Kraft eines anderen bedient. Und wenn ich es versuche und es gelingt, könnte es doch gleichzeitig dein Tod sein.«
»Wenn es gelingt, hilft es, unseren König zu retten. Ich habe geschworen, das Leben des Königs zu schützen. Und du?« Bei ihm war alles so einfach.
Also versuchte ich es. Ich öffnete mein Bewusstsein und suchte nach Veritas. Ich versuchte, ohne zu wissen, wie, Kraft von Burrich zu beziehen. Doch alles, was ich hörte, war das Zwitschern der Vögel draußen, und Burrichs Schulter war nur etwas, worauf meine Hand ruhte. Ich öffnete die Augen. Auch ohne dass ich es aussprach, wusste er, dass ich versagt hatte. Er stieß einen schweren Seufzer aus.
»Nun gut. Dann bringe ich dich jetzt zu Edel.«
»Wenn wir nicht gehen, würden wir uns immer fragen, was er gewollt haben mag«, sagte ich.
Burrich lächelte nicht. »Du bist in einer wunderlichen Stimmung. Fast hörst du dich an wie der Narr.«
»Spricht der Narr mit dir?«, fragte ich erstaunt.
»Manchmal«, bestätigte er und half mir beim Aufstehen.
»Je dunkler der Schatten des Todes auf mich fällt«, philosophierte ich, »desto amüsanter kommt mir alles vor.«
»Dir vielleicht«, antwortete er verdrossen. »Ich frage mich, was Edel will.«
»Er will mit uns verhandeln. Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen. Und wenn er tatsächlich feilschen will, gelingt es uns vielleicht, einen Vorteil herauszuschlagen.«
»Du redest, als wäre es möglich, bei Edel an den gesunden Menschenverstand zu appellieren, aber er denkt nicht wie wir anderen. Und Hofintrigen habe ich immer verabscheut.« Burrich schnaubte verächtlich. »Lieber miste ich eigenhändig die Ställe aus.« Er zog sich meinen Arm um die Schultern und führte mich zur Tür hinaus.
Falls ich mir je Gedanken darüber gemacht hatte, wie die Opfer von Teufelswurz sich fühlen mochten, jetzt erfuhr ich es aus erster Hand. Ich war ziemlich sicher, dass ich nicht mehr daran sterben würde, aber ich wusste nicht, wie stark es mein Leben beeinflussen würde. Meine Beine zitterten, und meine Hände
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