Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
mir den Rückweg länger und kälter erscheinen, zumal ich nicht stolz auf den Sinneswandel war, den ich bei ihr bewirkt hatte. Um mich abzulenken, spürte ich nach Cub und hatte ihn bald gefunden. Er war ganz in der Nähe und folgte uns zwischen den Bäumen hindurch wie ein Schatten, während er die Schneewehen und das weiße Schneegestöber als De ckung nutzte. Ich war nie ganz sicher, ob ich ihn in einem Moment wirklich gesehen hatte; seine Instinkte leiteten ihn gut.
Denkst du, ich bin bereit, um zu jagen?
Nicht, ehe du bereit bist zu gehorchen. Ich ließ ihn meinen Unwillen merken.
Wie soll ich das eine wie das andere lernen, wenn ich allein jage, ohne Rudel? Er war gekränkt und ärgerlich.
Wir näherten uns dem äußeren Mauerring von Bocksburg. Ich fragte mich, wie er von hier hinausgelangt war, wenn nicht durch eins der Tore.
Soll ich es dir zeigen? Ein Friedensangebot.
Später vielleicht. Wenn ich Fleisch bringe. Ich verspürte seine Zustimmung. Er hatte uns überholt und würde bei der Kate auf mich warten, bis ich kam.
Um zu beweisen, dass sie sich meine Rüge zu Herzen genommen hatten, hielten die Wächter am Tor uns an. Glücklicherweise hatte der diensttuende Sergeant so viel Verstand, nachdem ich mich ausgewiesen hatte, nicht nach der Identität der Frau in meiner Begleitung zu fragen. Im Burg hof ließ ich Querkopf anhalten, damit sie absteigen konnte. Als ich ihr die Hand reich te, spürte ich einen Blick im Rü cken, so deutlich wie eine Be rührung. Ich drehte mich um und sah Molly. Sie trug zwei Eimer, die sie am Brunnen gefüllt hatte, war ste hengeblieben und schaute zu mir her, wobei sie angespannt war wie ein fluchtbereites Reh. Ihre Augen waren dunkel, ihr Gesicht sehr still. Nach einem Atemzug wandte sie sich steif ab, und ohne ei nen weiteren Blick in unsere Richtung ging sie über den Hof zur Küche. Ich hatte ein ungutes Gefühl. Dann ließ Kettricken meine Hand los und zog den Um hang vor der Brust zusammen. Auch sie schaute mich nicht an, sondern sagte nur leise: »Ich danke dir, FitzChivalric«, bevor sie langsam die Treppe zum Portal hinaufstieg.
Ich brachte Querkopf in den Stall zurück und versorgte ihn. Flink, der vorbeikam, hob fragend eine Augenbraue. Als ich nickte, ging er wieder an sei ne Arbeit. Manchmal glaube ich, das war, was mir an Flink am besten gefiel: seine Bereitschaft, das auf sich beruhen zu lassen, was ihn nichts anging.
Für meinen nächsten Schritt musste ich zuerst Mut fassen. Ich ging zu dem Platz hinter der Reitbahn. Eine dünne Rauchfahne und der bei ßende Geruch von verbranntem Haar und Fleisch dienten mir als Wegweiser. Burrich stand neben dem Feuer und sah zu, wie es brannte. Er hob den Kopf, als ich näher kam, blickte jedoch wie durch mich hindurch und sagte kein Wort. Seine Augen
waren dunkle Höhlen voller Schmerz, der in Wut umschlagen würde, sollte ich es wagen, ihn anzusprechen. Doch ich war nicht seinetwegen gekommen. Ich zog mein Messer, schnitt mir eine fingerlange Haarsträhne ab, warf sie auf den Scheiterhaufen und sah zu, wie sie auf zischte und verschmorte. Hexe. Eine ganz ausgezeichnete Hündin. Etwas kam mir in den Sinn, und ich sprach es aus. »Sie war dabei, als Edel zum ersten Mal einen Blick auf mich warf. Sie lag neben mir und knurrte ihn an.«
Nach einer Weile nickte Burrich zu meinen Worten. Auch er war dabei gewesen. Ich drehte mich um und ging.
Meine nächste Station war die Küche, wo ich ein paar saftige Knochen zusammensuchte, Überbleibsel des gestrigen Totenmahls. Es war kein frisches Fleisch, doch es musste genügen. Cub hatte Recht. Sehr bald musste ich ihn fortbringen und freilassen, damit er lernte, selbstständig zu sein. Burrichs Schmerz hatte mich in mei nem Entschluss bestärkt. Hexe war für einen Hund ein langes Leben beschert gewesen, nicht jedoch für Burrichs Herz. Sich einem Tier zu verschwistern bedeutete, sich bewusst diesem zukünftigen Schmerz auszuliefern. Mein Herz war be reits oft ge nug gebrochen worden.
Auf dem Weg zur Kate grübelte ich darüber nach, wie dieses Vorhaben am besten in die Tat umzusetzen wäre, als eine kurze Vorahnung mich warnte. Zu spät, schon traf mich sein Aufprall mit voller Wucht. Pfeilschnell war er aus dem Hinterhalt aufgetaucht und versetzte mir im Vorbeilaufen mit der Schulter einen Rammstoß in die Kniekehlen. Ich fiel der Länge nach in den Schnee. Kaum hatte ich den Kopf gehoben und mir die Augen freigewischt, als er sich he rumwarf und wieder auf mich
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