Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
einzutauschen. Als sich endlich das Schlachtenglück zu un seren Gunsten wendete, dachte ich nicht da ran, ob es klug war, sondern verfolgte den flüchtenden Feind durch das düstere Ruinenlabyrinth von Guthaven.
Und es war eine gute Jagd für Nachtauge und mich. Ich stand Fuß bei Fuß mit meinem letzten Gegner, und wir kreuzten die Äxte, während Nachtauge schnappend und knur rend, mit kurzen Sprüngen vor und zurück, das Schwert eines kleineren Mannes überlistete. Er machte ihm den Garaus, nur Sekunden bevor ich meinen Feind vernichtete.
Dieser letzte Akt des Abschlachtens erfüllte mich mit einer wilden, tierischen Freude. Ich wusste nicht, wo Nachtauge aufhörte und ich begann, nur, dass wir gesiegt hatten und noch am Leben waren. Danach machten wir uns auf die Su che nach Wasser, tranken durstig aus dem Eimer des Brunnens auf dem Marktplatz, und ich wusch mir das Blut von Händen und Gesicht. Anschließend sanken wir erschöpft nieder. Ich lehnte den Rücken an das Brunnengemäuer, und wir schauten zu, wie sich die Sonne über den dichten Bodennebel erhob. Ich spürte die Wärme Nachtauges an meiner Seite, und er und ich waren es zufrieden, einfach nur im Jetzt zu sein.
Wahrscheinlich war ich für einen Moment eingedöst, denn als er aufsprang und davonlief, schrak ich hoch. Verwirrt blickte ich auf, um zu sehen, was ihn erschreckt hatte, entdeckte aber nur ein
Mädchen mit ei nem Ei mer in der Hand, das mich ängst lich anstarrte. Die Sonne glänzte auf ihrem roten Haar. Ich stand auf, grinste ihr zu und hob grüßend die Axt, aber sie huschte davon wie ein verängstigtes Kaninchen und verschwand im Gewirr der Straßen. Ich reckte mich, dann schlug ich den Weg zu der Stelle ein, wo Kettrickens Zelt gestanden hatte. Auf meinem Weg tauchten die Bilder der wölfischen Jagd in der vergangenen Nacht aus meinem Gedächtnis auf. Die Erinnerungen waren zu deutlich, zu rot und zu schwarz, so dass ich versuchte, sie aus meinem Bewusstsein zu verbannen. War es das, was Burrich mit seiner Warnung gemeint hatte?
Selbst am hellen Tag fiel es schwer, das Geschehene ganz zu begreifen. Rings um die geschwärzten Überreste des Zeltes war die gefrorene Erde zu blutigem Morast zertrampelt. Hier war das Kampfgewühl am dichtesten gewesen. Hier hatten die meisten Krieger ihr Leben gelassen. Einige der Toten hatte man weggeschleift und auf einen Haufen geworfen, andere lagen noch genau da, wo sie ge fallen waren. Ich vermied es, mir die Lei chen anzusehen. Es ist eine Sache, voller Zorn und Angst blindwütig zu töten. Eine andere Sache ist es, sich danach im kalten grauen Morgenlicht sein Werk zu betrachten.
Dass die Outislander versucht hatten, unseren Belagerungsring zu sprengen, war verständlich. Wenigstens ein Teil von ih nen hätte sich wahrscheinlich zu den Schiffen retten und ein oder zwei davon zurückerobern können. Dass sie stattdessen, wie von einem gemeinsamen bösen Willen beseelt, ihren Angriff gegen das Zelt der Königin richteten, war mir ein Rätsel. Weshalb hatten sie nicht, nachdem ihnen der Durchbruch gelungen war, alles darangesetzt, ihre Chance zu nutzen und in die Weite des Meeres zu entkommen?
»Vielleicht«, überlegte Burrich und biss die Zähne zusammen,
als ich sein geschwollenes Knie betastete, »hatten sie gar nicht den Wunsch zu ent kommen. Nicht das erste Mal ha ben Outislander beschlossen, dass sie sterben wollen, und dann den Versuch unternommen, vor ih rem Tod noch so viel Unheil anzurichten wie möglich. Deshalb haben sie uns hier in der Hoff nung angegriffen, unsere Königin zu töten.«
Ich hatte Burrich entdeckt, als er über das Schlachtfeld humpelte. Er wollte nicht zugeben, dass er nach meinem Leichnam gesucht hatte. Seine Erleichterung bei mei nem Anblick war aber Beweis genug dafür.
»Woher sollten sie wissen, dass es das Zelt der Königin war?«, wandte ich ein. »Wir hatten keine Banner aufgerichtet, kein Herold hatte sie aufgefordert, sich der zukünftigen Königin der Sechs Provinzen zu ergeben. Woher sollten sie wissen, dass sie hier war? - So, fertig. Ist das bes ser?« Ich überprüfte über meine Fragen hinweg den Sitz seiner Bandage.
»Es ist trocken, und es ist sauber, und der feste Wickel scheint den Schmerz zu lindern. Das wird genügen müssen. Ich vermute, die Hitze und die Schwellung werden jedes Mal auftreten, wenn ich das Knie zu sehr be laste.« Sein Ton war so leidenschaftslos, als sprächen wir über ein Pferd mit entzündetem Sprunggelenk. »Wenigstens
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