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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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leichten Wind davongetrieben wird.
    Mit weichen Knien kehrte ich zu meiner steinernen Bank zurück und sank darauf nieder. Ich holte tief Atem und ließ ihn nur langsam wieder ausströmen, um das Zittern in mir zu beruhigen. Es kam mir vor, als wäre ich ei ner Prüfung unterzogen worden, und für dieses Mal hatte ich sie bestanden. Ich lehnte den Rücken gegen die kalte Mauer und warf einen Blick zur Tür.
    Wills halb geschlossene Augen schauten mich an.
    Ich schnellte so vehement in die Höhe, dass die Schnittwunde an meinem Oberschenkel wieder aufplatzte. Ich starrte auf die vergitterte Öffnung. Doch da war nichts. Er war fort. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Es kostete mich ungeheure Überwindung, die wenigen Schritte bis zur Tür zu gehen und in den Gang hinauszuspähen. Niemand zu sehen. Er war tatsächlich fort, doch etwas in mir wollte es nicht ganz glauben.
    Ich humpelte zur Bank, setzte mich wieder und zog mir Brawndys Mantel um die Schultern. Das vergitterte Fensterchen zog meine Blicke magisch an. Ich wartete auf eine Bewegung, auf eine Veränderung im schwachen Widerschein der Fackel, auf irgendein Anzeichen dafür, dass Will doch noch vor mei ner Tür lauerte. Die Spannung wurde unerträglich. Ich sehnte mich danach, hinauszuspüren mit der Macht und der Gabe, um draußen nach ihm zu suchen. Nein! Wo ich hinausging, konnte er zu mir hinein.
    Ich zog die Schutzwehren um meine Gedanken, und schon ein paar Minuten darauf überprüfte ich sie wieder. Je verbissener ich mich bemühte, Ruhe zu bewahren, desto größer wurde die Panik, die mich in Wellen übermannte. Ich hatte körperliche Misshandlungen gefürchtet, jetzt lief mir der Angstschweiß über das Gesicht
und an den Seiten herunter, wenn ich überlegte, was Will mir antun konnte, wenn es ihm ge lang, sich mei nes Verstandes zu bemächtigen. Hatte er sich erst in meinem Kopf eingenistet, war es ihm ein Leichtes, mich zu lenken wie eine Marionette, so dass ich auch vor die versammelten Herzöge hintreten würde und mich schuldig des Mordes an König Listenreich bekannte. Edel hatte sich für mich etwas Schlimmeres als den Tod ausgedacht. Beschämt und gedemütigt sollte ich zu mei ner Hinrichtung gehen, nach eigenem Geständnis als ein feiger Mörder und Hochverräter. Will konnte mich dazu brin gen, in aller Öffentlichkeit vor Edel zu kriechen und um Gnade zu flehen.
    Ich glaube, die Zeit, die daraufhin vorüberging, war eine Nacht. Schlafen konnte ich nicht; wenn ich ein nickte, ließen Träume von Augen an meinem Fenster mich verstört hochfahren. Ich wagte auch nicht, zu Nachtauge zu flüchten, und hoffte zudem, dass er selbst nicht versuchte, mich mit Gedanken zu erreichen. Das Geräusch von Schritten im Gang riss mich aus mei nem unruhigen Dämmerschlaf. Meine Augen brannten, mein Kopf schmerzte von der unablässigen Konzentration, und meine Muskeln waren steif vor Anspannung. Ich blieb auf der Bank liegen, um nichts von meiner kostbaren Kraft zu vergeuden.
    Die Tür flog auf. Ein Soldat steckte die Fackel in die Wand halterung der Zelle und trat dann vorsichtig ein. Zwei andere folgten ihm. »Du da! Hoch mit dir!«, bellte der Fackelträger. Sein Akzent klang nach Farrow.
    Was hätte es für ei nen Zweck ge habt, mich ih nen zu widersetzen? Ich stand auf und ließ Brawndys Umhang von meinen Schultern auf die Bank gleiten. Auf einen Wink des Anführers nahmen die zwei Sol daten mich in ihre Mitte, und wir traten auf den Gang hinaus, wo noch vier weitere Männer standen. Edel ging kein Risiko ein. Es war niemand dabei, den ich kannte. Alle trugen die
Farben von Edels Leibgarde. Man konnte ihnen an den Gesichtern ablesen, wie ihre Befehle lauteten, und ich hütete mich, ihnen einen Vorwand zu liefern. Sie führten mich ein kurzes Stück den Gang hinunter, vorbei an der unbesetzten Nische der Gefangenenwärter in einen größeren Raum, der früher als Wachstube gedient hatte. Die Einrichtung war entfernt worden bis auf einen bequemen Lehnstuhl. In jedem der Wandhalter brannte eine Fackel, und die Helligkeit schmerzte meine lichtentwöhnten Augen. Meine Begleiter ließen mich in der Mitte des Raums stehen und gesellten sich zu ihren Kameraden, die an den Wänden aufgereiht standen. Die Macht der Gewohnheit veranlasste mich, meine Situation abzuschätzen und die Mög lichkeiten, die sie mir bot. Ich zählte vierzehn Bewacher. Das schien mir sogar für mich als reichlich übertrieben. Dann wa ren da noch zwei Tü ren, die beide geschlossen waren.

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