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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Abscheu vor ihnen, ja, doch es war die gleiche Abscheu, die ich beim Anblick eines wundfaulen Beins oder bei einem vor Räude nur noch dahinsiechenden Hund empfand. Entfremdete zu töten hatte nichts mit Hass zu tun, weder mit Bestrafung noch Gerechtigkeit. Der Tod war für sie die einzig mögliche Heilung, ein so schneller und schmerzloser Tod wie nur möglich, zumal aus Rücksicht auf die Familien, die mit ihnen litten und um sie trauerten. Diese jungen Männer hatten dahergeredet, als sollte das Sterben dieser Todgeweihten die Attraktion eines Jahrmarkts sein.
    Langsam setzte ich mich wieder hin. Der Appetit war mir gründlich vergangen, obgleich der nüchterne Verstand mir zum Essen riet, solange ich die Möglichkeit hatte. Ich starrte auf meinen Teller. Schließlich zwang ich mich, noch etwas mehr Brot und Fleisch hinunterzuwürgen.
    Als ich einmal kurz den Kopf hob, ertappte ich zwei junge Burschen dabei, wie sie mich musterten. Einen Moment lang hielt ich ihrem Blick stand, dann fiel mir ein, welche Rolle ich hier spielte, und ich schlug die Augen nieder. Offenbar glaubten sie, sich mit mir einen Spaß machen zu können, denn sie kamen gleich darauf anstolziert und setzten sich zu mir, der eine mir gegenüber, der andere direkt neben mich auf die Bank, was unangenehm war. Letzterer zog dann auch gleich zur Belustigung seines Kameraden eine übertrieben angewiderte Grimasse und hielt sich die Hand vor Mund und Nase. Ich wünschte beiden nur einen guten Abend.
    »Für dich scheint es ein guter Abend zu sein. Hast dir wohl lange nicht mehr ordentlich den Bauch vollschlagen können, stimmt’s?« Die freundlichen Worte kamen von meinem Gegenüber, einem Rotschopf mit unzähligen Sommersprossen im Gesicht.
    »Das ist wahr, und ich danke eurem Capaman für seine Großzügigkeit«, antwortete ich bescheiden und hoffte auf eine Möglichkeit, mich ohne Aufsehen zu erregen aus dieser Situation zu befreien.
    »So, so. Und was führt dich nach Poma?«, wollte der andere wissen. Er war größer als sein dreister Freund und kräftiger.
    »Die Suche nach Arbeit.« Ich erwiderte unbefangen den Blick seiner blassen Augen. »Man hat mir gesagt, in Fierant gäbe es einen Gesindemarkt.«
    »Und für welche Arbeit bist du denn wohl zu gebrauchen? Als Vogelscheuche? Oder treibst du vielleicht mit deinem Gestank die Ratten aus?« Er stemmte direkt vor meiner Nase seinen Ellenbogen auf die Tischplatte und stützte sich darauf, um mir die Wölbung seines Bizeps vorzuführen.
    Ich atmete tief ein und aus, einmal, zweimal. Dann erwachte in mir etwas, das ich seit geraumer Zeit nicht mehr verspürt hatte. Da war es wieder, der scharfe Stich der Angst und das innerliche Erzittern, das jedes Mal durch meinen Körper ging, sobald ich herausgefordert wurde. Manchmal steigerte sich das zu den Schüttelkrämpfen, die einem Anfall vorausgingen. Doch außerdem regte sich noch etwas anderes in mir, von dem ich fast vergessen hatte, wie es sich anfühlte. Ärger? - Nein: Wut. Die blinde, unbeherrschte Wut, die mir die Kraft verlieh, eine Axt zu heben und einem Gegner den Arm von der Schulter zu trennen oder mich auf ihn zu stürzen und ihm ungeachtet aller Gegenwehr die Kehle zuzudrücken.
    Fast dankbar begrüßte ich nun diese Wut in mir und fragte mich, was sie herbeigerufen haben mochte. Die Erinnerung an den Verlust von Freunden oder die Schlacht- und Todesszenen, die ich in der letzten Zeit so häufig in meinen Träumen gesehen hatte? Das war nicht so wichtig. Ich fühlte das Gewicht eines Schwertes an meiner Seite und bezweifelte, dass diese zwei Bauernlümmel vor mir es bemerkt hatten oder auch nur ahnten, wie ich damit umzugehen verstand. Wahrscheinlich hatten sie nie eine andere Klinge als die Sichel geschwungen, und noch kein anderes Blut gesehen als das eines Hühnchens oder einer Kuh. Nie waren sie nachts aus dem Schlaf gefahren, weil ein Hund angeschlagen hatte, und hatten sich dabei gefragt, ob er vielleicht vor nahenden Feinden warnte; nie waren sie am Ende eines Tages von den Fischgründen heimwärts gesegelt und hatten darum gebetet, hinter der Landzunge möge das Heimatdorf noch friedlich im Abendlicht liegen. Dies waren mit schierer Ahnungslosigkeit gesegnete Bauernsöhne, die in dieser fruchtbaren Ebene lebten wie die Made im Speck und die keine andere Gelegenheit fanden, ihre Männlichkeit zu beweisen, als sich an einem Fremden zu reiben oder ihren Spott über Gefangene in einem Käfig auszuschütten.
    Wären doch nur alle

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