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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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auch nicht, wie gut.
    Ich hatte es nicht geplant, aber meine Unterkunft bot mir eine ausgezeichnete Gelegenheit unauffällig dem zu lauschen, was in Blauer See die Gemüter bewegte.
    An einem der Abende unterhielt man sich so bald über das Gerücht, zwölf Soldaten von des Königs Garde wären einen halben Tag hinter Jernigans Quelle tot aufgefunden worden, von Straßenräubern erschlagen. Bis zum darauffolgenden Abend waren bereits die zu erwartenden Ausschmückungen hinzugekommen: Die Toten wären von einem wilden Tier in Stücke gerissen worden. Der erste Gedanke eines jeden vernünftigen Menschen hätte sein müssen, dass Aasfresser sich über die Leichen hergemacht hatten, doch in der Version, die man sich hier zu erzählen begann, war es das Werk des verderbten Bastards gewesen, der sich in Gestalt eines Wolfs seiner eisernen Ketten entledigt hatte, um sich im Licht des Vollmonds auf die Soldaten zu stürzen und blutige Rache zu üben. Nach dieser Beschreibung brauchte ich ja keine Angst zu haben, von ihnen erkannt zu werden; weder glühten meine Augen rot im Feuerschein noch ragten mir Reißzähne aus dem Mund. Doch binnen kurzem würden andere, wirklichkeitsnähere Beschreibungen meiner Person im Umlauf sein. Edel hatte mir nicht umsonst zu einer unverkennbaren Physiognomie verholfen. Ich begann zu begreifen, wie schwer es für Chade mit seinem pockennarbigen Gesicht gewesen sein musste, einer Arbeit nachzugehen, bei der es darauf ankam, sich unsichtbar machen zu können und unerkannt zu bleiben.
    An den Bart, der mir anfangs lästig gewesen war, hatte ich mich mittlerweile gewöhnt. Die Schwellungen und Platzwunden, die Kujons Fäuste in meinem Gesicht hinterlassen hatten, waren größtenteils verblasst, nur meine Schulter wollte in der kalten Witterung nicht aufhören zu schmerzen. Die scharfe Herbstluft rötete meine Wangen über dem Bart, wodurch die obere Hälfte der Narbe weniger ins Auge fiel. Der Schnitt an meinem Arm war längst geheilt, aber die gebrochene Nase ließ sich nicht verbergen. Mein Anblick im Spiegel war mir inzwischen vertraut. In gewisser Hinsicht war ich nun ebenso sehr Edels Schöpfung wie Chades. Chade hatte mich nur gelehrt zu töten; Edel jedoch hatte einen wahren Assassinen aus mir gemacht.
    Am dritten Abend meines Aufenthalts in der Schänke drangen mir schließlich Neuigkeiten zu Ohren, bei denen mir fast das Blut in den Adern erstarrte.
    »Der König selbst war’s, jawohl, und sein oberster Gabenkundiger. Umhänge aus feinster Wolle und so dick Pelz an Kragen und Kapuze, dass man kaum ihre Gesichter sehen konnte. Auf schwarzen Pferden mit goldenen Sätteln sind sie geritten, wie du sie noch nie gesehen hast, und hinter ihnen die königliche Leibgarde in Gold und Braun. Haben den ganzen Platz geräumt, die Soldaten, damit er vorüberreiten konnte. Also sage ich zu dem Burschen neben mir: He, was soll der Aufzug, weißt du’s? Und er sagt, König Edel wäre in die Stadt gekommen, um sich berichten zu lassen, was die Berghexe uns für Schaden zufügt, und dem ein Ende zu machen. Und mehr. Der König soll gekommen sein, um den Narbenmann und den zauberkundigen Bastard aufzuspüren, denn man weiß, dass sie Helfershelfer der Berghexe sind.«
    Der Erzähler war ein triefäugiger Bettler, der genug Almosen eingeheimst hatte, um sich einen Becher mit heißem Apfelwein zu kaufen, an dem er sich möglichst lange festzuhalten suchte. Seine Geschichte verhalf ihm zu einem zweiten Becher, während der Wirt noch einmal die Geschichte von dem Bastard erzählte, wie er ein Dutzend Soldaten des Königs getötet und ihr Blut zur Stärkung seiner magischen Kraft getrunken hatte.
    In mir tobte ein Wirrwarr von Gefühlen; Enttäuschung, dass Edel meinen Giftanschlag offenbar unbeschadet überstanden hatte, und grimmige Freude, dass ein günstiges Geschick ihn mir hier noch einmal über den Weg führte, womit ich Versäumtes gutmachen konnte, bevor ich meine Suche nach Veritas fortsetzte.
    Ich brauchte kaum Fragen zu stellen. Am nächsten Morgen summte die ganze Stadt wie ein Bienenstock. Es war viele Jahre her, seit ein gekröntes Haupt Blauer See mit seinem Besuch beehrt hatte, und jeder Kaufherr und jeder kleine Adlige erhoffte sich aus dem Ereignis seinen eigenen Nutzen. Edel hatte das größte und vornehmste Gasthaus der Stadt vom Keller bis zum Dach für sich und sein Gefolge mit Beschlag belegt. Ich hörte davon, dass sich der Wirt dort genauso geschmeichelt wie bestürzt über die ihm

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