Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
Vergnügen, diesen trostlosen Haufen Steine zu erobern. Später sollte Edel jedoch entschieden dementieren, jemals etwas Derartiges geäußert zu haben.
Die augenblickliche Situation an der Spitze des Reiches war in der Geschichte ohne Beispiel. Das Kind, das Kettricken unter dem Herzen trug, stand nach aller Regel dem Thron am nächsten, aber die Gemahlin des verstorbenen Thronfolgers war spurlos verschwunden - und das unter höchst mysteriösen Umständen. Es gingen Gerüchte um, ob nicht Edel selbst dabei seine Hand im Spiel gehabt hatte. Doch selbst wenn Kettricken in Bocksburg geblieben wäre, hätte ihr und Veritas’ Kind erst in seinem siebzehnten Jahr die Thronfolgerschaft beanspruchen können. Um vollendete Tatsachen zu schaffen, war Edel sehr darauf bedacht gewesen, so schnell wie möglich die Nachfolge seines Vaters anzutreten, aber nach dem Gesetz bedurfte er der Zustimmung von allen sechs Provinzen. Er kaufte sich die Krone mit etlichen Zugeständnissen an die Küstenherzöge. So versprach er unter anderem, zum Schutz der Küste Soldaten in Bocksburg zurückzulassen.
Zum Kommandanten der altehrwürdigen Festung ernannte er flugs seinen ältesten Neffen, den Erben des Titels Herzog von Farrow. Lord Vigilant war es mit fünfundzwanzig Jahren allerdings leid, darauf zu warten, dass sein Vater ihn ans Ruder ließ. Nur zu gern übernahm er deshalb den Befehl über Bocksburg und seine Ländereien, brachte jedoch nur geringe Erfahrung mit. Edel zog sich landeinwärts nach Burg Fierant in Fierant am Vinfluss zurück, während der junge Lord mit einer handverlesenen Schar Soldaten aus Farrow in Bocksburg zurückblieb. Es darf bezweifelt werden, dass Edel ihm entsprechende Mittel für den Unterhalt von Burg und Truppe zurückließ, deshalb presste der junge Mann den Kaufleuten von Burgstadt ab, was er brauchte, ebenso wie den bereits schwer geprüften Bauern und Schafhirten von Bocksburgs Ländereien. Während nichts darauf hinwies, dass er einen besonderen Hass gegen die Küstenprovinzen hegte, fühlte er sich ihnen gegenüber auch in keiner Hinsicht sonderlich verpflichtet.
Eine Handvoll Vertreter des niederen Adels hielt sich ebenfalls in Bocksburg auf. Die meisten Landeigner befanden sich in ihren eigenen Burgen und taten, was sie konnten, um ihr Lehnsvolk zu schützen. Die ranghöchste Person, die in Bocksburg zurückblieb, war Prinzessin Philia, ehemals Kronprinzessin, bis ihr Gemahl, Prinz Chivalric, zugunsten seines jüngeren Bruders Veritas von der Thronfolge zurückgetreten war. Das in der Burg stationierte Militär setzte sich zusammen aus den Soldaten von Bocksburgs Ländereien, Königin Kettrickens Leibgarde sowie den wenigen Veteranen, die noch von König Listenreichs Garde übrig geblieben waren. Mit der Moral stand es nicht zum Besten, denn der Sold wurde nur unregelmäßig ausgezahlt und die Verpflegung war miserabel. Lord Vigilant hatte seine eigene Leibgarde mitgebracht und ließ keinen Zweifel daran, dass er sie den Bocksburgern vorzog. Zusätzlich kompliziert wurde die Situation durch Querelen in der Führung. Offiziell waren die Bocksburger dem Kommando von Hauptmann Keffel unterstellt, dem Befehlshaber von Lord Vigilants Leibgarde. In Wirklichkeit schlossen Fuchsrot von der Königinnengarde, Kerf von den Bocksburgern und der alte Krapp von König Listenreichs Veteranen sich zusammen und kochten ihr eigenes Süppchen. Wenn sie jemandem regelmäßig Bericht erstatteten, dann war es Prinzessin Philia. Es dauerte nicht lange, und es hatte sich eingebürgert, dass man von ihr als der Herrin von Bocksburg sprach.
Auch nach seiner Krönung schien Edel sich auf dem Thron nicht sicher zu fühlen. Er ließ Kundschafter in alle Himmelsrichtungen ausschwärmen, die den Aufenthaltsort von Königin Kettricken und dem ungeborenen Erben herausfinden sollten. Weil er den Verdacht hegte, sie könnte sich zu König Eyod, ihrem Vater, ins Bergreich geflüchtet haben, verlangte er von diesem ihre Auslieferung. Als Eyod erwiderte, der Aufenthaltsort der Königin der Sechs Provinzen wäre nicht Sache des Bergvolks, brach Edel erzürnt sämtliche diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Jhaampe ab und versuchte sogar, die Grenzen auch für einfache Reisende zu sperren. Zur gleichen Zeit begann das Gerücht zu kursieren - unzweifelhaft von Edel selbst in Umlauf gebracht -, das Kind, das Kettricken unter dem Herzen trüge, wäre nicht von Veritas gezeugt und hätte deshalb keinen legalen Anspruch auf
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