Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
nichts fehlen?«
Er musterte mich aus zusammengekniffenen Augen. »Was meinst du damit?«
»Ich meine, dass kein Branntwein mehr da ist.«
»Und du glaubst, ich kann nicht ohne auskommen?« Sein Jähzorn flammte auf. Er war merklich reizbarer geworden seit dem letzten Tropfen aus der letzten Flasche.
Ich zuckte mit den Schultern. »Es war nur eine Frage. Weiter nichts.« Ich saß still und vermied es, ihm ins Gesicht zu sehen, um ihn nicht noch mehr aufzubringen.
Nach einer Weile erklärte Burrich mit sichtlicher Beherrschung: »Nun, ich nehme an, das werden wir beide herausfinden müssen.« Ich ließ eine geraume Zeit verstreichen, bis ich endlich fragte: »Was werden wir also tun?«
Burrich schaute mich verwundert an. »Ich habe es dir gesagt. Wir jagen, um zu essen. Das solltest vor allem du ohne Schwierigkeit begreifen können.«
Ich wandte den Blick ab und nickte steif. »Ja, aber ich meinte - danach. Die ganze nächste Zeit.«
»Nun, an Fleisch wird es uns nicht mangeln, damit können wir uns eine Zeitlang über Wasser halten. Allerdings, früher oder später brauchen wir Dinge, die wir uns nicht selbst beschaffen oder anfertigen können. Einiges wird Chade für uns besorgen, sofern es ihm gelingt. Bocksburg dürfte inzwischen völlig kahlgefressen sein. Irgendwann werde ich sicher für eine Zeitlang nach Burgstadt hinuntergehen müssen und sehen, ob ich Arbeit finde, aber vorläufig...«
»Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Du hast mich missverstanden. Wir können uns nicht ewig hier oben verstecken, Burrich. Was kommt danach?«
Diesmal ließ er sich Zeit mit einer Antwort. »Ich muss zugeben, darüber habe ich nicht viel nachgedacht. Zuerst ging es nur um einen sicheren Platz, an dem du dich erholen konntest. Dann sah es eine Weile so aus, als würdest du nie wieder du selbst sein...«
»Aber ich bin jetzt wieder ich selbst.« Ich zögerte. »Philia...«
»Glaubt, du bist tot«, fiel Burrich mir ins Wort, vielleicht schroffer als er beabsichtigt hatte. »Chade und ich sind die Einzigen, die wissen, dass du lebst. Bis wir dich aus diesem Sarg befreiten, waren wir dessen auch nicht sicher. War die Dosis zu stark gewesen, hatte sie dich umgebracht, warst du in deinem Grab erfroren? So, wie sie dich zugerichtet hatten...« Er verstummte und sah mich mit einem starren, abwesenden Blick an, worauf er leicht den Kopf schüttelte. »Schwer zu glauben, dass du eine solche Behandlung überleben könntest, ganz zu schweigen von dem Gift. Deshalb hielten wir es für besser, keine falschen Hoffnungen zu wecken. Und dann, als wir dich ausgegraben hatten...« Wieder schüttelte er den Kopf, diesmal heftiger. »Du warst dermaßen zerschunden. Ich weiß nicht, was Philia veranlasst hat, die Wunden eines Toten zu säubern und zu verbinden, aber hätte sie es nicht getan... - Und später, das warst nicht du selbst. Nach den ersten Wochen verfluchte ich mich für das, was wir getan hatten. Wir hatten die Seele eines Wolfs in den Körper eines Menschen versetzt, so kam es mir vor.«
Sein Blick forschte in meinem Gesicht, als wollte er sich vergewissern, dass wirklich ich es war, dem diese Erinnerungen galten. »Du bist auf mich losgegangen. Kaum dass du auf den Beinen stehen konntest, wolltest du weglaufen. Ich ließ es nicht zu, und du bist mir an die Kehle gesprungen. Wie konnte ich Philia dieses knurrende, zähnefletschende Geschöpf zeigen, das du geworden warst? Wie sollte ich ihr erklären...?«
»Glaubst du, Molly...?« Meine Stimme versagte.
Burrich wandte den Kopf zur Seite. »Sie hat wahrscheinlich gehört, du wärst gestorben.« Nach einer Pause fügte er widerwillig hinzu: »Jemand hatte eine Kerze auf deinem Grab angezündet. Der Schnee war beiseite gefegt und der Stummel war noch da, als ich kam, um dich auszugraben.«
»Wie ein Hund einen Knochen.«
»Ich fürchtete schon, du würdest es nicht verstehen.«
»Tue ich auch nicht. Ich verlasse mich auf Nachtauges Wort.«
Mehr konnte ich nicht ertragen und mehr wollte ich nicht hören. Ich versuchte, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken, aber Burrich war erbarmungslos. »Wenn du dich in Bocksburg oder Burgstadt blicken lässt, wird man dich töten. Sie hängen dich über Wasser auf und verbrennen deine Leiche. Oder reißen sie in Stücke. Aber die Leute werden allemal dafür sorgen, dass du dann nicht wieder aus dem Grab zurückkehrst.«
»Haben sie mich so gehasst?«
»Gehasst? Nein. Du warst recht beliebt bei denen, die dich kannten.
Weitere Kostenlose Bücher