Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
ersten Mal warf ich einen Blick in den Beutel, den ich der Toten in Mondesauge abgenommen hatte. Darin fanden sich ein Feuerstein, fünf, sechs Münzen, zwei Würfel, ein zerbrochener Armreif und, eingefaltet in ein Stück Stoff, eine seidige Haarlocke. Die ganze Zusammenfassung eines Soldatinnenlebens. Ich kratzte mit dem Messer die Erde auf und begrub Locke, Würfel und Armreif in der kleinen Mulde. Dabei bemühte ich mich, nicht darüber nachzudenken, ob es ein Kind oder ein Liebster war, den sie zurückließ. Weshalb sollte ich mir auch Gewissensbisse machen. Sie war nicht von meiner Hand gestorben. Dennoch: In meinem Unterbewusstsein wisperte eine eiseskalte Stimme die Worte »Auslöser« und »Catalyst«. Wäre ich nicht gewesen, könnte die Soldatin noch am Leben sein. Einen Augenblick lang fühlte ich mich alt und müde und krank, dann aber zwang ich mich, alle diese Gedanken beiseite zuschieben. Ich zündete das Feuer an, schürte es kräftig und stapelte den Rest Brennholz in Reichweite auf. Nun waren alle Vorbereitungen getroffen. Ich wickelte mich in meinen Umhang und legte mich auf das Bett aus Zedernnadeln. Dann atmete ich mehrmals gleichmäßig ein und aus, schloss die Augen und überließ mich der Kraft der Gabe.
    Und sofort schien es mir so, als wäre ich in einen reißenden Strom gestürzt. Nach meiner letzten Erfahrung war ich nicht darauf gefasst gewesen, so schnell Erfolg zu haben und wurde beinahe weggerissen. Aus irgendeinem Grund schien der Fluss der Gabe hier wilder und stärker zu strömen. Ich fand und sammelte mich wieder und bündelte meine Willenskräfte gegen die Versuchungen, die auf mich eindrangen. Nur nicht daran denken, dass hierbei auch Molly und unser Kind nur einen Gedanken weit entfernt waren, dass ich bei ihnen sein konnte und sehen, wie es ihnen erging. Es ging auch nicht darum, Veritas zu erreichen, so sehr es mich auch dazu drängte; die Entfaltung der Gabe war derart mächtig, dass ich nicht daran zweifelte, bis zu ihm denken zu können. Aber nicht deshalb war ich hier, sondern um einen Feind herauszufordern, und ich musste auf der Hut sein. Verschanzt hinter meinen Mauern, die mich schützten, ohne mich von der Gabe zu trennen, richtete ich meinen Willen auf Burl, griff hinaus, tastend, vorsichtig und bereit, sofort alle Tore zu schließen, falls ein Angriff erfolgte. Ich fand ihn mit Leichtigkeit und war beinahe ein wenig überrascht, wie wenig er meine Berührung wahrnahm.
    Dann durchfuhr mich gleißend sein Schmerz.
    Ich zuckte zurück, schneller als eine erschreckte Seeanemone in einem Gezeitentümpel. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich in das schneebeladene Geäst der Zedern über mir. Mein Gesicht und mein Rücken waren schweißnass.
    Was war das , wollte Nachtauge wissen.
    Das weiß ich genauso wenig wie du.
    Es war purer Schmerz. Schmerz, der nichts mit einer Verletzung, Schmerz, der nichts mit Kummer oder Angst zu tun hatte. Es war ein allumfassender Schmerz, als würde absolut jeder Teil des Körpers von einem Feuer verzehrt.
    Edel und Will verursachten ihn.
    Ich lag da, und noch immer erzitterte ich am ganzen Körper von der gerade miterlittenen Qual. Was hatte ich in dem kurzen Augenblick gespürt? Will und vielleicht einen Hauch von Carrods Gabe. Sie waren die Folterknechte, die Burl festhielten und ihn seinem Peiniger darboten. Carrod Ausstrahlung verriet ein kaum verhohlenes Grauen und Widerwillen gegen seine Aufgabe. Vielleicht fürchtete er, eines Tages wieder selbst das Opfer zu sein. Bei Will stach eindeutig ein wilder Zorn darüber hervor, dass Burl mich bereits in seiner Gewalt gehabt und dann meine Flucht nicht verhindert hatte. Doch in seinen Zorn mischte sich eine Art von Faszination. Er war fasziniert von Edels Mitteln der Bestrafung, die ganz und gar der Gabe geschuldet waren. Vergnügen bereitete ihm das alles nicht. Noch nicht.
    Edel hatte dagegen wahre Freude an seinem Tun.
    Es hatte eine Zeit gegeben, da ich glaubte, Edel zwar nicht sehr gut zu kennen, das niemals, ihn aber gut einschätzen zu können. Ich mochte zwar seine ganze Art nicht, ich mochte ihn nicht, doch man konnte andererseits beinahe Verständnis für ihn haben. Ihn trieb Eifersucht, dass Chivalric als bevorzugter ältester Sohn Listenreichs mit mir noch einen weiteren Rivalen um die Zeit und Gunst des Königs hervorgebracht hatte. Früher kannte man ihn einfach nur als den verhätschelten Nachkömmling, der neidisch auf seine älteren Brüder war, die in der Erbfolge vor

Weitere Kostenlose Bücher