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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Wenn ich um eine Atempause bat und mich beim Halt an einen Baum lehnte, lief er bereits weiter voraus und suchte nach dem gangbarsten Weg. Neigten sowohl der Tag als auch meine Kräfte sich dem Ende zu, dann zündete ich für die Nacht ein Feuer an, während er für einige Zeit verschwand und bald mit einer Mahlzeit für uns beide zurückkehrte. Meistens waren es Schneehasen, doch einmal brachte er einen fetten Biber, der sich zu weit von seinem zugefrorenen Teich entfernt hatte. Ich machte mir selbst etwas vor, als ich mein Fleisch aus Prinzip weiter braten wollte, aber es blieb nur beim einen kurzen Hin- und Herwenden über dem Feuer. Ich war zu müde und zu hungrig, um geduldig darauf zu warten, bis man es als gar bezeichnen konnte. Einerseits setzte ich wegen unserem kargen Speisezettel kein Fett an, andererseits blieb ich doch so weit bei Kräften, dass ich mein tägliches Pensum schaffte. In den Nächten fand ich nur wenig Schlaf, weil ich ständig Holz nachlegen und zwischendurch aufstehen musste, um stampfend hin und her zu gehen, bis ich meine Füße wieder spürte. Ausdauer. Hartnäckigkeit. Darauf kam es an. Nicht auf Schnelligkeit oder große Kraft, sondern auf die Fähigkeit, mich dem mühseligen Kampf zu stellen und mich dabei jeden Tag aufs Neue anzuspornen.
    Ich erhielt die Mauern um mein Bewusstsein aufrecht; trotzdem bemerkte ich Wills Versuche, sie zu erstürmen. Aller Wahrscheinlichkeit nach war es ihm unmöglich, mich aufzuspüren, solange ich mich abschirmte, aber ganz sicher war ich dessen nicht. Der ständige Zwang zu geistiger Aufmerksamkeit zehrte zusätzlich an meinen Kräften. In manchen Nächten fehlte nicht viel, und ich hätte die Barrieren gesenkt und ihn eingelassen, einfach um der Qual ein Ende zu machen. Doch in solchen Augenblicken brauchte ich mir nur ins Gedächtnis zu rufen, wozu Edel neuerdings imstande war. Das genügte, um jeden Gedanken an meine Aufgabe im Keim zu ersticken.
    Am vierten Morgen unseres Marsches erhob ich mich in der Gewissheit, dass wir die Grenze längst überschritten hatten und uns tief im Bergreich befanden. Seit Mondesauge hatte ich keine Anzeichen von Verfolgern mehr bemerkt. Hier, inmitten von Kettrickens Heimatland, konnten wir uns sicher fühlen.
    Wie weit ist es noch bis zu diesem Jhaampe, und was tun wir, wenn wir dort sind?
    Ich weiß nicht, wie weit es noch ist. Und ich weiß auch nicht, was wir dann tun werden.
    So weit hatte ich bisher nicht gedacht. Zum ersten Mal stellte ich mich den Schwierigkeiten und ungelösten Fragen, die sich vor mir auftürmten. Wie war es zum Beispiel Kettricken ergangen seit jener verhängnisvollen Nacht, in der ich sie gedrängt hatte, aus Bocksburg zu fliehen? Ihr Kind musste inzwischen geboren sein. Nach meiner Berechnung war es in etwa so alt wie meine Tochter. Plötzlich erfüllte mich brennende Neugier. Dieses Kind würde ich in den Armen halten können und mir dann umso besser vorstellen, wie es war, meine eigene Tochter zu wiegen.
    Kettricken hielt mich wohl allerdings für tot. Mehr als die Nachrichten von Edels Hinrichtungsbefehl und von meinem Begräbnis waren bestimmt nicht von der Küste bis ins Bergreich gedrungen. Sie war meine Königin und Veritas’ Gemahlin, und sie besaß mein Vertrauen; doch ihr zu offenbaren, wie und warum ich überlebt hatte, das würde wie der Wurf eines Steins in einen Tümpel weite Kreise ziehen. Im Gegensatz zu Merle, Krähe oder anderen, die hinter mein Geheimnis gekommen waren, kannte Kettricken mich seit langem, was ihren Worten zusätzliches Gewicht verlieh. Wenn sie sich in diese Richtung äußerte, würde man es nicht als Gerücht oder aus der Luft gegriffen abtun, sondern man würde ihr schlicht alles glauben.
    Ich stapfte hinter Nachtauge durch den Schnee und die Kälte und überlegte, was Philia empfinden mochte, sollte ihr diese Neuigkeit zu Ohren kommen. Scham oder Freude? Kummer, dass ich sie nicht eingeweiht hatte? Durch Kettricken bot sich mir endlich die lang ersehnte Möglichkeit, Nachricht an jene zu senden, die mir lieb und teuer waren. Auch an Molly und Burrich. Molly... Wie mochte ihr zumute sein, wenn sie aus der Ferne erfuhr, dass FitzChivalric noch lebte, aber nicht den Weg zu ihr gefunden hatte, und dass er überdies tatsächlich mit dem Makel der Alten Macht behaftet war? Wie groß war mein Schmerz gewesen, als ich erfahren hatte, dass sie mir ihre Schwangerschaft verheimlicht hatte. Erst da war mir bewusst geworden, wie betrogen und gekränkt sie

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