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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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sich darüber gefühlt haben musste, dass sie aus einem Großteil meines Lebens ausgeschlossen geblieben war und dass ich ihr nicht genug vertraut hatte, um sie in meine Geheimnisse einzuweihen. Darüber hinaus zu erfahren, was ich noch vor ihr verborgen hatte, nämlich den Makel der Alten Macht, tötete womöglich jeden Funken Liebe, den sie noch für mich hegte. Meine Aussichten, mit ihr ein neues Leben anzufangen, waren ohnehin gering, und ich konnte nicht ertragen, sie noch weiter schwinden zu sehen.
    Und all die anderen, die Pferdeknechte, die ich gekannt hatte, meine Rudergefährten an Bord der Rurisk, die einfachen Soldaten in Bocksburg, würden es ebenfalls erfahren. Schon einmal hatte ich den Abscheu in den Augen eines Freundes gesehen. Ich hatte erlebt, wie das Wissen um diesen ›Makel‹ selbst Merles Haltung mir gegenüber verändert hatte. Und was würden die Menschen erst von Burrich denken, dass er einen von denen in seinem Stall beherbergt und geduldet hatte? Würde man auch ihn entlarven? Ich biss die Zähne zusammen. Für alle Beteiligten war es womöglich besser, wenn ich tot blieb. Warum also nicht gleich Jhaampe umgehen und mich gleich auf die weitere Suche nach Veritas machen? Dagegen sprach jedoch allein schon, dass ich ohne Ausrüstung und Proviant ebenso wenig Aussicht auf Erfolg hatte, wie Nachtauge jemals hoffen konnte, in den Augen der Menschen als Schoßhündchen durchzugehen.
    Dazu kam noch ein weiterer kleiner Haken: die Karte.
    Als Veritas von Bocksburg zu seiner Expedition aufgebrochen war, konnte er sein Vorhaben aufgrund einer genauen Landkarte planen. Es war ein altes Dokument, das Kettricken in der Bibliothek von Bocksburg ausgegraben hatte und das aus den Tagen König Weises stammte, der vor langen Zeiten die Uralten als Erster gesucht und als Verbündete für die Sechs Provinzen gewonnen hatte. Die Details auf der Karte waren verblasst, doch beide, Kettricken und Veritas, hatten die Überzeugung geteilt, dass einer der eingezeichneten Wege zu dem Ort führte, wo König Weise zum ersten Mal jenen geheimnisvollen Wesen begegnet war. Veritas hatte sich schließlich aufgemacht, um sein Glück zu versuchen. Natürlich führte er eine Kopie bei sich, die von ihm selbst angefertigt war. Ich hatte keine Ahnung von dem Verbleib des Originals, vermutlich war es mit allen anderen Reichtümern auf die Reise nach Fierant gegangen, als Edel Bocksburg ausgeplündert hatte. Aber der Stil der Karte und das ungewöhnliche Muster der Randverzierung, hatten mich schon beim ersten Blick zu der Vermutung gebracht, dass es sich um das Faksimile einer noch älteren Karte handelte. Die Ornamente entsprachen der künstlerischen Tradition der Chyurda; wenn das tatsächliche Original also irgendwo zu finden war, dann in der Bibliothek von Jhaampe. Während der Monate meiner Genesungszeit in den Bergen hatte ich Zugang dazu gehabt und wusste daher um die Größe und die sorgfältige Sammlung der Bibliothek. Auch wenn ich nicht das Original dieser einen speziellen Karte fand, so doch vielleicht andere Landkarten von derselben Region.
    Bei meinem Aufenthalt in den Bergen hatte mich beeindruckt, was für ein vertrauensvolles Volk die Chyurda waren. Ich hatte nur an wenigen Türen Riegel gesehen und nirgendwo Posten oder Wächter wie bei uns in Bocksburg. Es würde ein Leichtes sein, in die königliche Residenz einzudringen - selbst wenn man in der Zwischenzeit doch dazu übergegangen war, Türhüter als Wachen aufzustellen. Die Außenwände bestanden nur aus mehreren Schichten von Baumrindenfasern, die mit Lehm verdichtet und dann übermalt worden waren. Ich traute mir zu, auf die eine oder andere Art hineinzugelangen. War ich erst drinnen, würde ich nicht lange brauchen, die Bibliothek zu durchsuchen und mir anzueignen, was ich brauchen konnte. Gleichzeitig war dies eine gute Gelegenheit, mir Proviant zu beschaffen.
    Ich hatte so viel Anstand, mich bei dem Gedanken zu schämen, guten Freunden als Dieb einen Besuch abzustatten, doch ich wusste gleichzeitig, dass diese Scham mich nicht davon abhalten würde, es zu tun. Wie schon viele Male zuvor, blieb mir keine andere Wahl. Während ich durch den Schnee einen weiteren Hang hinaufwatete, klangen die Worte im Schlag meines Herzens wider: keine Wahl, keine Wahl, keine Wahl. Das Schicksal selbst hatte mich zu einem Mörder gemacht, zu einem Lügner und zu einem Dieb. Und je heftiger ich mich gegen all dies sträubte, desto unerbittlicher wurde es mir

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