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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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ihm rangierten. Er war verzogen gewesen und grob und selbstsüchtig. Aber dennoch ein Mensch.
    Was ich jetzt von ihm wahrnahm, war so himmelweit entfernt von allem, wozu meiner Vorstellung nach ein Mensch fähig sein könnte, dass ich mich fragte, ob er nicht das Recht verwirkt hatte, als solcher zu gelten. Er war zu einem Ungeheuer geworden. Selbst ihrer Seele beraubte Entfremdete bewahrten in ihrer Seelenlosigkeit noch einen Schatten ihres früheren Selbst. Hätte Edel sich die Brust aufgerissen und mir ein Nest von Vipern gezeigt, so wäre meine Bestürzung nicht größer gewesen. Edel hatte seine Menschlichkeit aufgegeben, um sich einer dunkleren Macht zu verschreiben. Und dies war der Mann, der als König über die Sechs Provinzen herrschte.
    Dies war der Mann, der Merle und Krähe seine Häscher auf den Hals hetzen würde.
    »Ich gehe noch einmal zurück«, warnte ich Nachtauge, und bevor er Einwände erheben konnte, stürzte ich mich erneut in den Strom der Gabe, öffnete mich weit, nahm seine eisige Kraft in mich auf, ohne zu bedenken, dass ein Zuviel davon mich bis auf den Grund hinabziehen konnte. In dem Augenblick, als Will sich meiner bewusst wurde, sprach ich zu ihnen. »Du wirst von meiner Hand sterben, Edel. Das ist so gewiss, wie Veritas wieder als König regieren wird.« Dann schmetterte ich ihnen meine geballte Kraft entgegen.
    Es war eine instinktive Handlung, wie ein Faustschlag. Ich erkannte plötzlich, dass Veritas in Burg Fierant das Gleiche getan hatte. Kompromisslos und unmissverständlich, nur in vernichtender Demonstration von Macht. Wie Veritas, verausgabte auch ich mich rückhaltlos. Ich glaube, einem einzigen Gegner hätte ich die Gabe sogar herausgebrannt. So aber traf es sie gemeinsam. Ich werde nie erfahren, welche Wirkung meine Attacke auf Burl hatte. Vielleicht nahm er sie womöglich dankbar entgegen, denn Will und Edel hatten nun mit sich selbst zu tun und vergaßen ihn. Ich fühlte Carrods entsetzten Aufschrei, mit dem er die Verbindung abbrach. Will hätte sich mir vielleicht offen entgegengestellt, doch Edel befahl ihm in Todesangst: »Brich ab, du Narr, gefährde nicht mich für deine Rache!« Dann waren sie wie mit einem Lidschlag alle verschwunden.
    Der helle Tag schien mir ins Gesicht, als ich aus einem Zustand zwischen Schlaf und Bewusstlosigkeit erwachte. Nachtauge lag fast auf mir, und an seinem Fell klebte Blut. Als ich ihn wegschob, bewegte er sich sofort, erhob sich und beschnupperte mein Gesicht. Durch ihn roch ich mein eigenes Blut. Es war widerwärtig. Ich setzte mich auf und wartete still ab, bis mein Schwindelgefühl verging und die Dinge um mich herum wieder an ihrem Platz waren. Nach und nach wurde ich mir Nachtauges aufgeregter Gedanken in meinem Kopf bewusst.
    Geht es dir gut? Du hast gezittert, und dann ist Blut aus deiner Nase gekommen. Du warst nicht hier. Ich konnte dich nicht hören!
    »Mir geht es gut«, beruhigte ich ihn. Meine Stimme klang heiser. »Danke, dass du mich gewärmt hast.«
    Von meinem Feuer war nur noch etwas Glut übrig. Ich griff nach dem Holzstapel, um die Flammen mit einigen Zweigen neu anzufachen. Doch meine Hände erschienen plötzlich merkwürdig weit von mir entfernt. Als das Feuer brannte, wärmte ich mich auf; dann ging ich immer noch mit steifen Beinen dorthin, wo der Schnee lag, bückte mich herab und wusch mir das Gesicht, um den Geschmack und Geruch von Blut loszuwerden. Mit einer zweiten Handvoll Schnee spülte ich mir den Mund aus.
    Brauchst du Schlaf? Brauchst du Futter? , fragte Nachtauge ängstlich.
    Ja und ja, aber vor allen Dingen mussten wir unsere Flucht fortsetzen. Die Verfolger würden nun, angespornt von Edels Hass und Angst, hinter uns her sein wie die Bluthunde. Ich hatte dem Zirkel das Fürchten gelehrt, und nun würden sie nicht ruhen, bis sie mich getötet hatten. Gleichzeitig hatte ich ihnen deutlich gezeigt, wo ich mich befand und in welcher Richtung man nach mir suchen musste. Ich durfte hier auf keinen Fall noch länger verweilen. Ich kehrte zu meinem Feuer zurück, stieß mit dem Fuß Erde in die Flammen und trat es gründlich aus. Dann machten wir uns auf die Flucht.
    Wir versuchten so schnell wie möglich voranzukommen, doch es stand angesichts meiner beschränkten Kräfte außer Frage, dass Nachtauge ohne mich erheblich schneller gewesen wäre. Er sah mitleidig zu, wenn ich mich einen Hang hinaufarbeitete und mich durch hüfttiefen Schnee pflügte, in den er mit seinen gespreizten Zehen kaum einsank.

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