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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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einzufangen. Ein Hund hatte ein halbes Schlappohr eingebüßt und war fast irr vor Schmerzen. Ich versuchte, mein Bewusstsein dagegen abzuschirmen. Armes Vieh, denn wem nutzten seine Schmerzen schon. Meine Beine waren bleischwer, und die Zunge klebte mir am Gaumen; aber ich trieb mich unerbittlich an, um den Vorsprung zu nutzen, den Nachtauge mir unter Lebensgefahr verschafft hatte. Ich wollte ihm zurufen, von dem verwegenen Spiel abzulassen und zu fliehen, musste jedoch meine Gedanken im Zaum halten, um der Meute nicht die wahre Richtung unserer Flucht zu verraten. Also lief ich einfach weiter.
    Die Schlucht wurde noch schmaler und führte tief in den Berg hinein. Dort überwucherten wilder Wein und Brombeerranken mit ihren Sträuchern die steilen Wände, und ich konnte nur vermuten, dass ich mich auf einem zugefrorenen Bachlauf bewegte. Ich fing an, nach allen nur denkbaren Möglichkeiten Ausschau zu halten, um hieraus ins Freie zu gelangen. Hinter mir hörte ich die Hunde wieder jaulen und kläffen und sich gegenseitig mitteilen, dass sie jetzt die richtige Fährte gefunden hatten. Folgt dem Wolf, dem Wolf, dem Wolf. Demnach hatte Nachtauge sich ihnen erneut gezeigt und zog sie hinter sich her, um sie von mir wegzulocken. Lauf, Bruder, lauf. Er warf mir diesen Gedanken zu, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob die Hunde ihn hören konnten oder nicht. Ich spürte förmlich seine wilde Begeisterung und seinen bedenkenlosen Übermut. So ähnlich hatte ich mich in der Nacht gefühlt, als ich Justin durch die Korridore von Bocksburg gehetzt hatte, um ihm mitten in der Großen Halle und vor allen Augen der zur Edels Krönungszeremonie versammelten Gästeschar den Gnadenstoß zu versetzen. Nachtauge befand sich in einem Rausch, der ihn jegliche Vorsicht vergessen ließ. Mir schlug das Herz bis zum Hals, weil ich Angst um ihn hatte, doch ich eilte trotzdem weiter.
    Die Schlucht war zu Ende. Vor mir hing ein glitzernder Wasserfall aus Eis und erschien wie ein Denkmal für den Wildbach, der während der Sommermonate diese Schlucht durchströmte. Das Eis wuchs in langen, gewundenen Zapfen an einem Felsspalt herunter und wurde überglänzt von einer dünnen Haut aus fließendem Wasser. Der Schnee auf dem Boden darunter war verharscht. Vorsichtshalber blieb ich stehen, um nicht unversehens durch eine spröde Eisdecke zu brechen und mich in einem eisigen Tümpel wiederzufinden. Ich schaute mich um. Dichtes Pflanzengestrüpp überwucherte die überhängenden Wände, nur an manchen Stellen kam unter dem Schnee der blanke Fels zum Vorschein. Dies alles war zu dürr und schwach, um daran in die Höhe zu klettern. Mir blieb nichts anderes übrig, als ein Stück zurückzugehen und nach einer Stelle Ausschau zu halten, die bessere Möglichkeiten bot. Als ich mich umdrehte, vernahm ich ein an- und abschwellendes Geheul. Es stammte weder von den Spürhunden noch vom Wolf, es konnte nur der Mischling sein. Etwas im Ton seiner Stimme überzeugte mich, dass er auf meiner Fährte war. Dazu erklangen aufmunternde Rufe eines Mannes und wieder Hundegebell, das immer näher kam. Ich ließ meinen Blick über die Felswand gleiten und suchte nach einem Punkt, an dem ich mich emporhangeln konnte. Der Mann pfiff und rief den anderen zu, sie sollten ihm folgen, er hätte hier die Spur von Stiefelabdrücken. Sie sollten den Wolf lassen, das sei nur ein Ablenkungsmanöver. In diesem Augenblick wusste ich, dass Edel zu guter Letzt doch noch gefunden hatte, was er suchte: Einen mit der Alten Macht, der bereit war, mich zu jagen. Altes Blut hatte sich verkauft.
    Ich sprang hoch und griff nach dem dünnen Stamm eines jungen Bäumchens, das an der Wand herausragte. Es hielt mir stand, als ich mich an ihm hochzog, die Füße hinaufschwang, mich aufrichtete und mich gleich weiter nach einem gerade noch erreichbaren Strauch entgegenstreckte. Der allerdings erwies sich als schlechte Wahl. Unter meinem Gewicht lösten sich die Wurzeln aus der dünnen Erdschicht am Fels, worauf ich kurz fiel, mich aber an dem Bäumchen festhalten konnte. Viel Zeit, den Schreck zu verdauen, hatte ich nicht. Eile war geboten. An Büschen, Sträuchern und Wurzeln festgekrallt, Ellbogen, Knie und Zehenspitzen eingestemmt, arbeitete ich mich immer weiter in die Höhe, bis ich mich schließlich über zerbrechende Zweige und herausgerissene Grasbüschel hinweg bis an die obere Kante der Steilwand herantastete, ohne dort jedoch einen zuverlässigen Halt für einen letzten Klimmzug zu

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