Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
ich ging weiter.
    Ich weiß nicht, wie schnell oder langsam danach die Zeit verging, doch irgendwann saß ich nur noch im Schnee, während die Kälte durch meine Glieder kroch. Ich musste aufstehen, musste in Bewegung bleiben.
    Ich schleppte mich weiter. Es kann nur ein kurzes Stück gewesen sein. Im Schutz einer Gruppe hoher Fichten, unter denen nur wenig Schnee lag, sank ich auf die Knie. »Bitte«, sagte ich. Mehr brachte ich nicht heraus. »Bitte.« Doch wer sollte mich hören? Wer sollte sich meiner erbarmen?
    Eine mit Fichtennadeln ausgepolsterte Mulde zwischen zwei dicken Wurzelsträngen bot sich als Zuflucht an. Ich zwängte mich in die kleine Höhlung. Hinlegen konnte ich mich nicht, wegen des Pfeils, der aus meinem Rücken ragte; dafür lehnte ich die Stirn gegen den freundlichen Baum und verschränkte die Arme auf der Brust. Ich hätte frieren müssen, aber selbst dafür war ich zu erschöpft. Ich versank langsam in Schlaf. Sobald ich aufwachte, nahm ich mir vor, würde ich ein Feuer machen und mich wärmen. Fast glaubte ich dieses schon zu spüren, als Wärme auf meinem Gesicht und Wärme, die durch meine Kleider drang.
    Mein Bruder!
    Ich bin hier . Ich spürte nach ihm. Er kam zu mir. Das zottige Fell an seinem Hals war benetzt von Geifer und Speichel, die zu einem Stachelkranz gefroren waren. Er war offenbar weitgehend unverletzt geblieben, nur an der Schnauze hatte er sich eine blutige Schramme geholt. Er hatte unsere Verfolger im Kreis herumgeführt und dann, durch blitzschnelle Angriffe von hinten ihre Pferde so lange in Panik versetzt, bis sie schließlich kopflos im Dunkeln davonstürmten. Nur zwei der Hunde waren noch am Leben, und eins der Pferde lahmte so schwer, dass der Reiter mit auf das Pferd eines anderen aufgesessen war.
    Nun war Nachtauge auf dem Weg zu mir und trabte leichtfüßig die verschneiten Hänge hinauf. Er war müde, ja, aber ihn beflügelte ein einzigartiges Triumphgefühl. Die Nacht um ihn herum war kalt und kristallklar. Er bemerkte die Witterung und dann das flüchtige Funkeln im großen Auge des Hasen, der unter einem Busch kauerte und hoffte, von uns unentdeckt zu bleiben. Es war nur vergeblich, denn mit einem einzigen blitzschnellen Satz zur Seite hatten wir den Hasen schnell gepackt. Dann bissen wir in seinen knochigen Schädel und brachen ihm mit einem Schlenkern das Genick, worauf wir mit dem willkommenen Gewicht der frisch geschlagenen Beute unseren Weg fortsetzten. Wir würden uns satt essen. Um uns herum erhob sich silbern und schwarz der nächtliche Wald.
    Halt. Mein Bruder, tu das nicht.
    Was?
    Ich liebe dich. Aber ich will nicht du sein.
    Ich verharrte dort, wo ich war. Ich bewunderte den kraftvollen, ruhigen Schlag seines Herzens, das Zusammenspiel seiner Muskeln, welches so mühelos und geschmeidig war, während er mit tiefen Zügen am Kopf des Hasen vorbei die kalte Nachtluft einatmete.
    Du willst nicht ich sein, Wandler. Nicht wirklich.
    Ich war nicht sicher, ob er damit Recht hatte. Durch seine Augen sah ich mich selbst hilflos zwischen den Wurzeln des hohen Baums halb sitzen, halb liegen, zusammengerollt wie ein verlassener Welpe. Der Geruch meines Blutes hing schwer in der Luft. Langsam und mit zusammengebissenen Zähnen hob ich den Kopf. Mir schmerzte der ganze Körper, und die Quelle all meiner Schmerzen lag in dem Pfeil, der noch in meinem Rücken stak.
    Ich roch Kaninchengekröse und Blut. Nachtauge stand neben mir, die Vorderpfoten auf den Kadaver gestemmt, während er ihm den Bauch aufriss. Iss, solange das Fleisch noch warm ist.
    Ich weiß nicht, ob ich essen kann.
    Soll ich es dir vorkauen?
    Er meinte es ernst, aber noch schlimmer als rohes Fleisch zu essen war die Vorstellung, ausgewürgtes Fleisch zu mir nehmen zu müssen. Mit einem schwachen Kopfschütteln lehnte ich dankend ab. Meine Finger waren fast taub, doch ich schaute ihnen interessiert zu, wie sie die kleine Hasenleber ergriffen und an meinen Mund führten. Sie war warm und reich an Blut. Plötzlich wusste ich, dass Nachtauge Recht hatte. Ich musste etwas zu mir nehmen, denn ich musste leben. Er hatte den Hasen in Stücke gerissen. Ich nahm ein Stück davon und biss in das dampfende Fleisch. Es war zäh, aber ich schlang es hinunter. Ohne mir dessen recht bewusst gewesen zu sein, hätte ich beinahe meinen eigenen geschundenen Leib aufgegeben, um in Nachtauges vor Kraft und Gesundheit strotzenden Wolfskörper zu schlüpfen. Einmal hatte ich es mit seiner Zustimmung getan, aber durch diese

Weitere Kostenlose Bücher