Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
hinzu, »auch ein Kind vermag nicht dem Los zu entrinnen, welches ihm die Zukunft bestimmt hat. Sei das Kind ein Narr, sei es ein Bastard, oder sei es auch nur eines Bastards Tochter.«
Mir fröstelte. Ich glaubte nicht an seine Worte, dennoch fürchtete ich ihre Konsequenzen. »Behauptest du, die Zukunft meiner Tochter zu kennen?«
Der Narr seufzte und nickte, dann schüttelte er lächelnd den Kopf. »Das ist mein Schicksal. Ich weiß einiges über die Zukunft, die den Erben aus dem Geschlecht der Weitseher widerfahren wird. Wenn sie an dem Erbe teilhat, dann werde ich irgendwann in einigen Jahren zweifellos in irgendeiner verstaubten Prophezeiung lesen und sagen: ›Richtig, so steht es geschrieben; wie es geschehen ist, so war es vorherbestimmt.‹ Niemand weiß so genau, was eine Prophezeiung bedeutet, bis sie eingetroffen ist. Es verhält sich ungefähr so wie mit einem Hufeisen. Der Schmied zeigt dir ein Stück Metall, und du sagst, das passt nie und nimmer. Aber nachdem es ins Feuer gelegt und danach gehämmert und gefeilt wurde, passt es genau und wie angegossen auf den Huf deines Pferdes und auf keinen anderen.«
»Das hört sich an, als wolltest du sagen, Propheten biegen sich ihre Weissagungen im Nachhinein so zurecht, dass sie den kommenden Ereignissen möglichst entsprechen.«
Er neigte den Kopf zur Seite. »Und ein guter Prophet, wie übrigens auch ein guter Schmied, der zeigt dir, dass sie wie angegossen passen.« Er nahm mir den leeren Becher aus der Hand. »Du solltest schon längst schlafen. Morgen wird die Heilerin die Pfeilspitze aus deinem Rücken entfernen. Du wirst für diese Behandlung all deine Kraft brauchen.«
Ich nickte und merkte plötzlich, wie müde ich war.
Ich lag bäuchlings auf der hölzernen Pritsche. Chade hielt meine Handgelenke fest, der Narr saß auf meinen Oberschenkeln, und Krähe stemmte die Hände und ihr ganzes Gewicht auf meine nackten Schultern. Ich kam mir vor wie ein Schwein auf der Schlachtbank. Merle stand mit Leinenbinden und einer Schüssel heißem Wasser bereit. Als Chade meine Arme nach unten zog, fühlte es sich an, als wollte mein ganzer Körper an dem Fäulnisherd in meinem Rücken aufplatzen. Die Heilerin beugte sich über mich. Aus den Augenwinkeln sah ich die Zange, die sie in der Hand hielt. Schwarzes Eisen. Wahrscheinlich aus der Werkstatt des Hufschmieds geholt.
»Bereit?«, fragte sie.
»Nein«, antwortete ich ächzend, aber keiner schenkte mir Beachtung. Die Frage war nicht an mich gerichtet gewesen. Den ganzen Vormittag hatte die Heilerin an mir herumgewerkelt, als wäre ich ein aus dem Leim gegangenes Spielzeug. Sie hatte mich durchmassiert und Eiter und Sekrete aus der Wunde gedrückt, während ich mich fluchend unter ihren Händen gewunden hatte. All meine Verwünschungen blieben unerhört, bis auf die Reaktionen des Narren, der immer wieder ungebeten Verbesserungsvorschläge beisteuerte. Er war wieder ganz er selbst. Kurz vor der Operation hatte er Nachtauge überredet, doch lieber hinauszugehen, und ich fühlte, wie der Wolf danach ruhelos vor der Tür auf und ab lief. Ich hatte versucht, ihm begreiflich zu machen, was getan werden musste. Während unserer gemeinsamen Zeit war er oft genug zu mir gekommen, damit ich ihm Dornen oder Stacheln herauszog, so dass er eine Vorstellung von den Schmerzen hatte, die zur Besserung ertragen werden mussten. Trotz allem teilte er meine Angst.
»Fang an.« Chade nickte der Heilerin zu. Sein Gesicht war dicht neben meinem, und sein Bart kratzte an meiner frischrasierten Wange. »Tapfer, mein Junge«, sagte er leise, worauf das kalte Metall sogleich in mein entzündetes Fleisch griff.
»Nicht so schnaufen! Halt still!«, befahl die Heilerin streng. Ich gab mir Mühe. Die Zange schob sich in meinen Rücken, stocherte und bohrte. Nach einer Ewigkeit sagte die Heilerin: »Haltet ihn fest.« Ich fühlte, wie die Zange zupackte, und dann war es, als würde mir das Rückgrat aus dem Körper gerissen. Ich erinnere mich an das erste Knirschen von Metall gegen Knochen, und mein fester Entschluss, nicht zu schreien, zerbrach und löste sich in einem qualvollen Schrei. Fast gleichzeitig wurde mir schwarz vor Augen, und wie in einem Strudel entschwand ich an einen unbestimmten Ort, den weder der Schlaf noch das helle Bewusstsein zu erreichen vermochten und der mir während der Tage und Nächte meines Fiebers im Grunde schon bis zum Überdruss vertraut geworden war.
Wie ein Taucher, der langsam wieder zur
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