Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
Farbe in ihr Gesicht. Merle schien sich so von allen Missgeschicken erholt zu haben und sprühte wieder vor Leben. Sogar die gebrochenen Finger heilten gut, und Chade hatte ihr geholfen, sich günstig Holz für eine neue Harfe zu verschaffen. Ich schämte mich dafür, dass ich mich angesichts ihrer großen Zuversicht nur älter, schwächer und müder fühlte. Ein oder zwei Stunden in ihrer Gesellschaft laugten mich so sehr aus, als hätte ich ein störrisches Pferd zugeritten. Sie schien als selbstverständlich vorauszusetzen, dass ich in allem mit ihr übereinstimmte. Doch oft konnte ich es einfach nicht.
»Er macht mich nervös«, bekannte Merle einmal, im Zuge einer ihrer Litaneien gegen den Narren. »Nicht durch sein Aussehen, sondern durch seine Art. Er sagt nie ein freundliches oder leicht verständliches Wort zu jemandem, nicht einmal zu den Kindern, die kommen, um sein Spielzeug zu kaufen. Merkst du nicht, wie er sie ständig aufzieht und zum Besten hält?«
»Er mag sie, und sie mögen ihn«, erklärte ich mit mühsam bewahrter Geduld. »Er veralbert sie nicht, um sie zu quälen. Die Kinder haben Spaß daran. Kein Kind mag es, wenn man von oben herab mit ihm spricht.« Der kurze Marsch hatte mich mehr angestrengt, als ich vor ihr zugeben wollte. Und es war ermüdend, ständig den Narren gegen sie verteidigen zu müssen.
Sie sagte nichts dazu. Ich bemerkte, dass Nachtauge uns folgte, als er gerade aus der Deckung einer Baumgruppe zwischen die schneebeladenen Sträucher eines Gartens huschte. Ich bezweifelte, dass seine Anwesenheit in Jhaampe noch ein großes Geheimnis war, trotzdem vermied er es, sich unnötig in aller Öffentlichkeit sehen zu lassen. Mir tat es gut zu wissen, dass er in der Nähe war.
Ich lenkte das Gespräch auf etwas anderes, das mir auf der Seele brannte. »Ich habe Chade seit mehreren Tagen nicht mehr gesehen.« Es war mir zuwider, über Dritte von ihm zu hören, doch er war nicht zu mir gekommen, und ich war nicht gewillt, ihn meinerseits aufzusuchen. Auch wenn ich ihn nicht hasste, ich konnte ihm nicht verzeihen, was er mit meiner Tochter vorhatte.
»Ich habe gestern Abend für ihn gesungen.« Merle lächelte bei der Erinnerung. »Er war ungemein geistreich, und es gelang ihm sogar, der Königin ein Lächeln zu entlocken. Kaum zu glauben, dass er so viele Jahre wie ein Einsiedler gelebt haben soll. Er ist ein vollendeter Kavalier und...«
»Chade?«, platzte ich ungläubig heraus. »Ein vollendeter Kavalier?«
»Natürlich.« Meine Verblüffung schien sie zu amüsieren. »Er kann äußerst charmant sein, wenn er dazu die Muße hat. Als ich mit meinem Vortrag zu Ende war, bedankte er sich ganz und gar liebenswürdig, wie ein feiner Herr der Gesellschaft.« Sie lächelte in sich hinein. Offenbar hatte Chade bei ihr genau den richtigen Ton getroffen. Mir meinen alten Lehrer als Schmeichler der Frauen vorzustellen, das erforderte schon eine ziemliche Umstellung. Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte, deshalb überließ ich Merle ihren angenehmen Gedanken. Nach einer Weile fügte sie zusammenhangslos hinzu: »Er wird nicht mit uns kommen, musst du wissen.«
»Wer? Wo?« Ich wusste nicht, ob ich durch das Fieber etwas schwer von Begriff war oder ob sie tatsächlich Gedankensprünge machte wie ein Floh.
Sie streichelte mir verständnisvoll den Arm. »Wir sollten umkehren. Es wird zu viel für dich. Ich merke immer, wenn du müde bist. Du stellst dann die unsinnigsten Fragen.« Sie holte tief Luft und nahm dann den Faden wieder auf: »Chade wird nicht mit uns auf die Suche nach Veritas gehen. Er muss nach Bock zurückkehren, um die Nachricht von der Expedition zu verbreiten und den Menschen dort Mut zu machen. Selbstverständlich wird er deine Wünsche respektieren, dich nicht weiter erwähnen und nur mitteilen, dass die Königin ausgezogen ist, um den König zu suchen und ihn wieder auf den Thron zu setzen.«
Sie machte eine kurze Pause, dann sagte sie betont beiläufig: »Er hat mich gebeten, für ihn einige schlichte Verse und Weisen zu verfassen, in der Art der alten Volkslieder, die also leicht zu behalten und nachzusingen sind.« Ihr strahlendes Gesicht verriet, wie sehr ihr dieses Ersuchen geschmeichelt hatte. »Er wird sie in den Wirtshäusern und Herbergen entlang der Straßen ausstreuen, und wie Samen werden sie dort aufgehen und sich weiter ausbreiten. Einfache Verse, die davon erzählen, wie Veritas ins Land zurückkehren und ihm Frieden und Ordnung bringen
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