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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Reißer gelernt hatte. Ich wurde ein Dieb, ein ziemlich erfolgreicher sogar. Mit meinem neuen Gewerbe konnte ich meiner Mutter und Großmutter das Leben etwas leichter machen; zum Glück fanden sie nie heraus, was ich tat. Ein paar Jahre später wütete die Blutpest in Chalced. Es war das erste Mal, dass ich den Schrecken dieser Seuche erlebte. Sie starben beide, und ich war allein. Also ging ich zu den Soldaten.«
    Ich hörte staunend zu. All die Jahre hatte ich Burrich als einen verschlossenen Menschen gekannt. Alkohol löste ihm nicht die Zunge, sondern machte ihn höchstens noch schweigsamer. Jetzt strömten die Worte aus ihm heraus und machten dem Rätselraten über seine Herkunft und Vergangenheit ein Ende. Was ihn dazu veranlasst hatte, sich mir zu öffnen, wusste ich nicht. Seine Stimme war das einzige Geräusch in dem nur vom Schein des erlöschenden Feuers erleuchteten Raum.
    »Ich kämpfte erst für einen kleinen Landjunker in Chalced mit Namen Jecto. Ohne zu wissen oder mich darum zu kümmern, aus welchem Grund wir kämpften, ob wir im Recht oder Unrecht waren.« Er schnaufte leise. »Wie ich dir bereits gesagt habe, überleben ist nicht gleich leben. Doch mir ging es nicht schlecht. Bald hatte ich mir den Ruf eines Berserkers erworben. Niemand erwartet von einem halbwüchsigen Burschen, dass er mit der Wildheit und Tücke eines Tieres kämpft. Es war mein einziges Mittel, um mich in der Gesellschaft der Männer zu behaupten, die damals meine Kameraden waren. Doch eines Tages waren wir bei einem Raubzug die Unterlegenen. Mehrere Monate, nein, ein ganzes Jahr hatte ich Gelegenheit, den Hass meiner Großmutter auf Sklavenhalter begreifen zu lernen. Als es mir gelang zu fliehen, tat ich, wovon sie immer geträumt hatte. Ich ging über die Grenze in die Sechs Provinzen, wo man keine Sklaverei kennt. Grimm war damals Herzog von Shoaks. Ich trat in seinen Dienst. Mit der Zeit ergab es sich irgendwie, dass ich für die Pferde meiner Einheit zuständig wurde. Grimms Truppen waren vornehme Herren verglichen mit dem Abschaum in Jectos Sold, trotzdem zog ich die Gesellschaft von Pferden der ihren vor.
    Nach dem Ende des Krieges um Sandsedge nahm Herzog Grimm mich mit in seine Burg. Ich verschwisterte mich dort mit einem jungen Hengst, Neko. Ich war sein Pfleger, aber er gehörte mir nicht. Grimm ritt ihn zur Jagd. Manchmal nahmen sie ihn für die Stuten. Aber Grimm war kein sanfter Mann. Hin und wieder ließ er Neko gegen andere Hengste kämpfen, wie manche Männer zum Vergnügen Hunde oder Hähne aufeinanderhetzen. Eine rossige Stute, und der stärkere Hengst darf sie bespringen. Und ich - ich war mit ihm verschwistert. Ich hatte Teil an seinem Leben, wie er an meinem. So wurde ich zum Mann. Wenigstens äußerlich.« Burrich schwieg einen Augenblick. Er brauchte mir nichts weiter zu erklären. Nach einer Weile seufzte er und sprach weiter.
    »Herzog Grimm verkaufte Neko und sechs Stuten, und ich ging mit ihnen. Die Küste hinauf, nach Rippon.« Er räusperte sich. »Irgendeine Pferdeseuche brach in den Ställen des neuen Besitzers aus. Neko starb, einen Tag nachdem er krank geworden war. Zwei seiner Stuten konnte ich retten. Sie am Leben zu erhalten bewahrte mich davor, Selbstmord zu begehen. Doch danach fiel ich in ein tiefes Loch. Ich war zu nichts mehr zu gebrauchen und ständig betrunken. Davon abgesehen, gab es nach der Seuche kaum noch genug Pferde im Stall, dass man ihn mit Recht als solchen hätte bezeichnen können. Deshalb ließ man mich gehen, und bald war ich wieder Soldat, diesmal unter einem jungen Prinzen namens Chivalric. Er war gekommen, um einen Grenzstreit zwischen Rippon und Shoaks beizulegen. Ich weiß nicht, was seinen Feldwebel dazu bewog, mich in seine Truppe zu nehmen. Dies waren Elitetruppen, Chivalrics Leibgarde. Ich war abgebrannt und seit drei Tagen entsetzlich nüchtern. Bestimmt entsprach ich schon menschlich kaum ihren Ansprüchen, geschweige denn als Soldat. In meinem ersten Monat bei Chivalric wurde ich ihm zweimal wegen Disziplinlosigkeiten vorgeführt. Es waren handgreifliche Auseinandersetzungen. Wie ein Hund oder ein Hengst glaubte ich, Gewalt sei der einzige Weg, mir Respekt bei den anderen zu verschaffen.
    Als ich das erste Mal vor ihn geschleppt wurde, blutig und immer noch wild um mich schlagend, bemerkte ich bestürzt, dass wir ungefähr gleichaltrig sein mussten. Fast alle in der Truppe waren älter als ich, daher hatte ich mit einem Mann in mittleren Jahren gerechnet.

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