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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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kehrte ich in die Gegenwart zurück. Ich betrachtete mein Spiegelbild und fragte mich, wie Kettricken mich sehen würde. Immer noch als den Jüngling, der hinter Veritas hergelaufen war und ihr bei Hofe aufgewartet hatte? Oder würde sie einen genaueren Blick in mein von Gewalt gezeichnetes Gesicht werfen und denken, dass vor ihr nun ein Fremder stand, und dass der Fitz, den sie einst gekannt hatte, Vergangenheit war? Nun, sie wusste inzwischen, auf welche Art ich zu meinen Narben gekommen war. Sie dürften sie auch nicht weiter überraschen, doch dafür würde ich ihr Gelegenheit geben, ein Urteil über den Mann hinter diesen Malen zu gewinnen.
    Es kostete mich einige Überwindung, aber dann stellte ich mich doch mit dem Rücken zum Spiegel, um mir den jüngsten Beweis für Edels Hass auf mich zu betrachten. Die frische Narbe erinnerte an einen roten Seestern. Die neugebildete Haut bei der Wunde wirkte recht gedehnt und glänzte im Licht. Ich rollte die Schultern, streckte den Schwertarm aus und fühlte sofort wieder die leichte Spannung im Bereich der heilenden Wunde. Nun, sinnlos, sich deswegen Gedanken zu machen. Ich zog mein Hemd an.
    Nachdem ich ins Haus des Narren zurückgekehrt war, fand ich ihn zu meiner Überraschung bereits angekleidet vor. Er wollte mich begleiten. Auf meiner Pritsche lagen neue Kleidungsstücke für mich: ein weißes, pluderiges Hemd aus weicher, warmer Wolle und schwarze Hosen aus dickerem Stoff, dazu ein kurzer, dunkelgrauer Überrock. Er meinte nur, Chade hätte sie gebracht.
    »Du siehst gut aus«, bemerkte er, als ich mich umgezogen hatte. Er selbst trug wie sonst auch ein hemdähnliches wollenes Gewand, nur war dieses hier dunkelblau und an Ärmeln und Saum mit Stickereien im Stil des Bergvolks versehen. Die kräftige Farbe betonte seine natürliche Blässe, hob aber gleichzeitig den leichten Anflug von Farbe in Haut, Haaren und Augen stärker hervor, der sich bei ihm inzwischen bemerkbar machte. Sein Haar war so wie immer - fein wie Spinnweben.
    »Ich wusste nicht, dass Kettricken dich auch hat rufen lassen«, meinte ich, worauf er grimmig erwiderte: »Erst recht ein Grund, mich bei Hofe blicken zu lassen. Chade ist heute Morgen gekommen, um nach dir zu sehen, und war bestürzt, als er dich nicht fand. Ich glaube, er fürchtet, du könntest dich mit dem Wolf heimlich davongemacht haben. Doch für den Fall, dass nicht, hat er eine Nachricht hinterlassen. Abgesehen von den Menschen in dieser meiner bescheidenen Hütte, kennt niemand in Jhaampe deinen wirklichen Namen, sosehr es auch überraschen mag, dass eine fahrende Musikantin sich zu solcher Verschwiegenheit fähig gezeigt hat. Auch die Heilerin weiß übrigens nicht, wen sie da geheilt hat. Denk daran, du bist Tom der Schäfer, bis Königin Kettricken es für richtig hält, offen mit dir zu sprechen. Hast du verstanden?«
    Ich seufzte. Das altbekannte Spiel. »Ich hätte nicht gedacht, dass auch hier in Jhaampe Intrigen gesponnen werden.«
    Er kicherte. »Dein erster Besuch hier war nur kurz. Du kannst mir glauben, in Jhaampe gedeihen Hinterlist und Intrigen genauso üppig wie in Bocksburg. Als Fremde sind wir gut beraten, uns da nicht hineinziehen zu lassen.«
     
    Der Tag war hell und frostklar und der Himmel über den Wipfeln der dunklen Nadelbäume schien strahlend blau. Uns umwehte ein leichter Wind und strich flüsternd über die gefrorenen Kämme der glitzernden weißen Schneeverwehungen links und rechts des Wegs. Der trockene Schnee knirschte unter unseren Stiefeln, und die Kälte legte ihre eisige Hand an meine frisch rasierten Wangen. Weiter weg hörte man die Rufe spielender Kinder. Nachtauge spitzte die Ohren, doch er lief weiter hinter uns her. Die fernen Stimmen erinnerten mich an Möwen über dem Meer, und plötzlich überfiel mich eine tiefe Sehnsucht nach der heimatlichen Küste.
    »Du hattest letzte Nacht einen Anfall«, sagte der Narr ruhig. Es war keine Frage.
    »Ich weiß.«
    »Krähe schien deswegen sehr besorgt zu sein. Chade musste ihr genauestens erklären, welche Kräuter er für dich mischte, und als das Gebräu dich nicht gleich aus der Betäubung weckte, wie er behauptet hatte, zog sie sich in ihre Ecke zurück. Dort blieb sie fast die ganze Nacht sitzen, strickte laut klappernd und warf ihm missbilligende Blicke zu. Es war eine Erlösung für mich, als sie schließlich alle gingen.«
    Ich hätte zu gerne gewusst, ob Merle geblieben war; doch gleichzeitig verdrängte ich den Gedanken, weshalb dies

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