Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
Und indem ich Burrichs Stolz verletzt hatte, hatte ich gleichzeitig den letzten Respekt zerstört, den Chade noch für mich hegte. Ich vermute, irgendwo tief in meinem Innern hatte ich die kindliche Hoffnung genährt, dass es eines Tages eine Versöhnung geben könnte, dass wir eines Tages wieder Freunde sein würden. Nun musste ich mich damit abfinden, dass die Trennung endgültig war. »Es ist vorbei«, sagte ich zu mir. »Lass Vergangenes vergangen sein.«
    Chade und Burrich, ich war jetzt von ihnen befreit. Frei von ihren Beschränkungen, frei von ihren Ideen, frei von Ehre und Pflicht und frei von ihren Erwartungen. Niemals wieder musste ich einem von ihnen reumütig in die Augen schauen und Rechenschaft über mein Handeln ablegen. Frei, um das einzige zu tun, wofür ich noch das Herz und den Mut hatte, das ich tun musste, um mit meinem alten Leben abschließen zu können.
    Frei, um Edel zu töten.
    Dies schien mir nur als gerechte Vergeltung. Er hatte schließlich mich zuerst getötet. Der Geist des König Listenreich gegebenen Versprechens, dass ich niemals einem der Seinen ein Leid antun würde, nagte kurz an meinem Gewissen, doch ich vertrieb ihn, indem ich mich daran erinnerte, dass Edel zugleich schuld war am Tod des Mannes, der dieses Versprechen gegeben hatte, und des Mannes, dem es gegeben wurde. Wenn mir der Scherbenhaufen meines Lebens sonst nichts zu bieten hatte, keine wahre Freiheit, keine Hoffnung auf Zukunft, so wenigstens die Gelegenheit zur Rache. O ja, und Edel sollte mir bei seinem Tod ins Angesicht sehen und wissen, dass ich es war, dem er sein Ende verdankte. Kein lautloser Meuchelmord diesmal, kein heimtückischer Giftanschlag, Auge in Auge mit mir würde er sein Leben aushauchen. Ich wollte ihm mit einem Schlag den Tod bringen, so wie der Pfeil, der treffsicher von der Sehne schnellt, oder wie das Wurfmesser, das mit erbarmungsloser Sicherheit sein Ziel findet. Das wollte ich unbelastet tun von den Sorgen um die Menschen, die mir am Herzen lagen. Und sollte ich versagen, war auch das ohne Bedeutung, denn ich war längst und in jeder Hinsicht tot. Niemand würde für meinen Mordversuch büßen müssen. Wenn ich bei dem Anschlag auf Edel den Tod fand - nun, das war es wert. Mein eigenes Leben war mir nur so lange wichtig, bis ich dem Leben Edels ein Ende gesetzt hatte. Was danach geschah, berührte mich nicht weiter.
    Nachtauge regte sich, weil ihn der Fluss meiner Gedanken aufgestört hatte.
    Hast du daran gedacht, was es mir tun würde, wenn du stirbst?, fragte er mich.
    Ich schloss für einen Augenblick die Augen. Ja, ich hatte daran gedacht. Was würde aus uns, wenn ich als Gejagter lebe?
    Nachtauge verstand. Wir sind die Jäger. Keiner von uns taugt zum Hasen.
    Nein. Deshalb muss ich ihn jagen, bevor seine Hunde den Hasen fangen.
    Er akzeptierte mein Vorhaben allzu bereitwillig. Ich versuchte, ihm begreiflich zu machen, was ich plante und wie gefährlich es war. Ich wollte nicht, dass er mir blindlings folgte.
    Ich werde Edel töten. Und die Mitglieder seines Zirkels. Sie sollen büßen für das, was sie mir angetan und was sie mir genommen haben.
    Edel? Das ist Fleisch, das wir nicht fressen können. Ich verstehe mich nicht auf Menschenjagd.
    Ich verknüpfte in Gedanken mein Bild von Edel mit seiner Erinnerung an den Tierhändler, der ihn als Welpe gefangen hatte und mit einem Knüppel zu schlagen pflegte.
    Nachtauge wog beides gegeneinander ab. Nachdem du mich aus seiner Gewalt befreit hattest, habe ich mich gehütet, ihm wieder über den Weg zu laufen. Was du tun willst, ist ebenso töricht, wie sich mit einem Stachelschwein anzulegen.
    Ich kann nicht anders, Bruder.
    Ich verstehe. So geht es mir mit Stachelschweinen.
    Nachtauge verglich meinen Rachefeldzug gegen Edel mit seiner Schwäche für Stachelschweine. Ich musste dabei feststellen, dass ich die mir gesetzten Ziele mit weit weniger Gleichmut betrachtete. Einmal ausgesprochen, konnte ich mir nicht mehr vorstellen, dass es eine Macht auf Erden gab, die imstande war, mich davon abzubringen. Und was war aus meinen großen Worten der letzten Nacht geworden, meinen Reden über ein selbstbestimmtes Leben? Nun, beruhigte ich meine innere Stimme, dafür blieb immer noch Zeit, sollte ich diese Abrechnung mit der Vergangenheit denn lebendig überstehen. Nicht, dass ich etwa unfähig war, mir eine Zukunft einzurichten, mich machte einfach nur die Vorstellung rasend, dass Edel sich in der Überzeugung sonnte, mich aus dem Weg geräumt und

Weitere Kostenlose Bücher