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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Stimmung. Kettricken hatte verweinte Augen und sprach kein einziges Wort; Krähe zeigte sich mürrisch und wortkarg. Der Wolf verdaute noch die Unmengen Fleisch, die er tags zuvor verschlungen hatte, und wollte nichts anderes als schlafen. Merle schien uns allen zu grollen, als hätten wir Schuld daran, dass bei unserer Suche kein Heldenepos herausgekommen war. Nach dem Frühstück verkündete sie, sie werde sich um die Jeppas kümmern und anschließend in dem Bach, den der Narr gefunden hatte, einen Waschtag veranstalten. Krähe erklärte sich mürrisch bereit, um der Sicherheit willen mitzugehen, obwohl ihr Blick immer wieder zu Veritas’ Drachen hinüberschweifte. Kettricken war unterdessen hinaufgestiegen und schaute trübsinnig zu, mit welcher Inbrunst ihr Gemahl und König den schwarzen Stein bearbeitete. Ich beschäftigte mich inzwischen damit, das bereits gedörrte Fleisch einzusammeln und zu verpacken, legte neues Holz auf das Feuer und verteilte das restliche ungedörrte Fleisch darüber.
    »Gehen wir«, forderte der Narr mich auf, sobald ich fertig war.
    »Wohin?« Ich sehnte mich nach einem Nickerchen.
    »Zu dem Mädchen - auf dem Drachen«, erinnerte er mich und war schon auf dem Weg, ohne sich auch nur durch einen Blick über die Schulter zu vergewissern, ob ich ihm folgte. Er wusste ohnehin, dass ich nicht anders konnte.
    »Ich halte das für einen närrischen Einfall«, rief ich ihm hinterher.
    »Genau«, antwortete er grinsend und sprach kein Wort mehr, bis wir bei dem gigantischen Steinbildnis angelangt waren.
    Die Drachenreiterin erschien mir heute Morgen stiller als zuletzt, oder vielleicht gewöhnte ich mich auch nur allmählich an das unstete Flackern Alter Macht in dem schwarzen Stein. Der Narr zögerte nicht länger, sondern kletterte sofort auf den Sockel hinauf. Ich folgte ihm.
    »Für mich sieht sie heute anders aus«, meinte ich.
    »Inwiefern?«
    »Kann ich nicht sagen.« Ich musterte den geneigten Kopf der Skulptur und die auf ihren Wangen erstarrten steinernen Tränen. »Fällt dir keine Veränderung auf?«
    »So genau habe ich sie mir gestern nicht angesehen.«
    Nun, so wie es ernst wurde, schien der Übermut des Narren doch verpufft zu sein. Sehr behutsam legte ich eine Hand auf den Rücken des Drachen. Die einzelnen Schuppen waren so kunstvoll gearbeitet, die Linien des mächtigen Körpers so natürlich, dass ich fast damit rechnete, gleich seine Atmung zu fühlen. Ich schloss meine Augen, nahm all meinen Mut zusammen und spürte dann zu dem Steinbildnis hin. Es war anders als jedes Hinausgreifen mit der Alten Macht zuvor. Es war fremd, kalt und tot; - bis auf dieses Irrlicht körperlosen Lebens, das in der Gefangenschaft und der Verzweiflung der Skulptur vor uns aufragte. Einen Augenblick lang entzog es sich mir, dann berührte ich es und spürte meinerseits ein forschendes Tasten. Es sehnte sich nach dem Gefühl von Wind in den Haaren, dem pulsierenden, warmen Blut in den Adern, dem Duft des Sommertags, dem Gefühl von Kleidung auf dem eigenen Leib und allem, was die Erfahrung des Lebendigseins ausmachte, wonach ihm so sehr hungerte. Erschreckt von der Stärke des Verlangens riss ich meine Hand zurück. Ich fürchtete beinahe, es könnte mich verschlingen.
    »Seltsam«, flüsterte der Narr, der, weil er mit mir verbunden war, das Erlebnis geteilt hatte. Seine Augen suchten meinen Blick und hielten ihn eine Zeitlang fest; dann hob er die Hand mit dem ausgestreckten Zeigefinger.
    »Wir sollten das nicht tun«, sagte ich; aber es lag keine Überzeugung in meinen Worten. Die schlanke Gestalt auf dem Rücken des Drachen trug ein ärmelloses Wams, eng anliegende Hosen und Sandalen. Mit einer seiner silbernen Fingerspitzen berührte der Narr ihren Oberarm.
    Ein Gabenschrei des Schmerzes und der Wut erfüllte den Steinbruch. Der Narr wurde rückwärts von dem Sockel geschleudert und stürzte schwer auf den Felsboden, wo er besinnungslos liegenblieb. Meine Beine gaben plötzlich nach, und ich fiel neben dem Drachen hin, voller Angst, die erzürnte Kreatur könnte mich zertrampeln wie ein toll gewordenes Pferd. Instinktiv rollte ich mich zusammen und schützte den Kopf mit den Armen.
    Es dauerte nur einen kurzen Augenblick, aber das Echo des Aufschreis schien endlos von den glatten schwarzen Felswänden und den Steinblöcken widerzuhallen. Mit weichen Knien kletterte ich vom Sockel hinunter, um zu sehen, was mit dem Narren war, als Nachtauge herbeistürmte. Was war das? Wer bedroht uns? Ich

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