Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
glaube, jetzt verstehst du besser, was es heißt, etwas in den Drachen hineinzugeben. Möchtest du ihm noch mehr von dir überlassen?«
Ich schüttelte nur schweigend den Kopf. Ich hatte Angst, den Mund aufzumachen.
»Ich werde nicht sterben, wenn der Drache vollendet ist, Fitz, ich werde in ihm aufgehen. Ich werde weiterleben. Weiterleben, als der Drache.«
Ich fand meine Stimme wieder. »Und Krähe?«
»Falkin wird bei mir sein ebenso wie ihre Schwester Möwe. Aber ich bin der Drache.« Und damit setzte er sein unsägliches Steineklopfen fort.
»Wie könnt Ihr das tun?«, warf ich ihm vor. »Wie könnt Ihr Kettricken das antun? Sie hat alles aufgegeben, um Euch zu finden. Und Ihr wollt sie nun einfach zurücklassen, allein und kinderlos?«
Veritas hörte auf zu meißeln und sank langsam zur Seite gegen das mächtige Bein des Drachen. Nach einer Weile sagte er mit rauer Stimme: »Ich sollte dir wirklich den Auftrag geben, Fitz, hier bei mir zu sitzen und mit mir zu reden, während ich arbeite. Gerade, wenn ich denke, ich habe keine großen Gefühle mehr in mir, kommst du daher und beschwörst sie herauf.« Er wandte mir das Gesicht zu. Seine Tränen zogen tiefe Furchen durch den Steinstaub auf seinen Wangen. »Was habe ich denn für eine Wahl?«
»Lasst den Drachen sein. Kehrt mit uns zurück in die Sechs Provinzen. Rufen wir das Volk zu den Waffen und bekämpfen wir die Roten Schiffe mit dem Schwert und mit der Gabe wie zuvor. Vielleicht...«
»Vielleicht wären wir dann schon alle tot, bevor wir auch nur Jhaampe erreichen. Wäre das ein besseres Ende für meine Königin? Nein. Ich werde sie als Drachen auf meinem Rücken nach Bocksburg tragen und ihre Feinde vertreiben, und sie wird lange und gut als Königin herrschen. Das ist es, was ich ihr zu geben habe.«
»Und Euer Erbe?«
Veritas zuckte müde die Schultern und nahm wieder den Meißel auf. »Du weißt, wie es bestimmt ist. Deine Tochter wird zur Thronfolgerin erzogen werden.«
»NEIN! Sagt das nur noch einmal, und gleichgültig wie gefährlich es auch sein mag, ich werde sogleich zu Burrich hindenken, dass er mit ihr fliehen soll.«
»Du kannst nicht zu Burrich denken«, erklärte Veritas geduldig. Gleich darauf schien er für den Zeh des Drachen Maß zu nehmen. »Chivalric hat vor Jahren Burrichs Bewusstsein für die Gabe verschlossen, damit man sich seiner nicht als Waffe oder Werkzeug gegen ihn bedienen konnte - so wie man sich des Narren bedient hat.«
Damit war ein weiteres kleines Rätsel gelöst, auch wenn es mir nichts nützte. »Veritas, ich beschwöre Euch: Tut mir das nicht an. Lieber will auch ich in den Drachen eingehen. Das ist mein Angebot: Nehmt mein Leben und schenkt es dem Drachen. Ich gebe Euch alles, was Ihr verlangt, aber versprecht mir, dass man meine Tochter nicht dem Thron der Weitseher opfern wird.«
»Dieses Versprechen kann ich dir nicht geben.«
»Wenn Ihr je irgendetwas für mich empfunden habt...«, begann ich, doch er fiel mir ins Wort.
»Kannst du nicht begreifen, auch wenn man es dir hundertmal erklärt? Ich habe durchaus Gefühle. Aber ich habe sie bereits dem Drachen gegeben.«
Mühsam stand ich auf und entfernte mich humpelnd. Es hatte keinen Sinn, weiter mit ihm zu reden. König oder Mensch, Onkel oder Freund, ich erkannte ihn einfach nicht mehr wieder. Wenn ich zu ihm dachte, traf ich nur auf seine Mauern. Wenn ich mit der Alten Macht nach ihm spürte, fand ich nur sein unstetes Leben, das zwischen ihm und dem Drachen hin und her wanderte. Und in letzter Zeit schien es weit heller in dem Drachen zu brennen als in ihm selbst.
Als ich ins Lager zurückkehrte, war es verlassen und das Feuer nahezu erloschen. Ich legte Holz nach, setzte mich und aß von dem Trockenfleisch. Es war nicht mehr viel davon übrig. Bald mussten wir wieder auf die Jagd gehen, oder vielmehr: Nachtauge und Kettricken sollten das übernehmen. Sie schienen ein gutes Gespann zu sein. Ich zerfloss in Selbstmitleid, aber mir fiel nichts Besseres ein, als mir einen Schluck Branntwein herbeizuwünschen, um es zu ertränken. Als mir dann schließlich keine reizvollereren Alternativen einfielen, ging ich einfach zu Bett.
Ich schlief mehr schlecht als recht. Drachen tummelten sich in meinen Träumen, und Krähes Spiel gewann eine seltsame Bedeutung, als ich darüber nachgrübelte, ob ein roter Stein stark genug war, um Molly einzufangen. Oft wachte ich auf und starrte in die Dunkelheit. Einmal spürte ich hinaus zu der Stelle, wo Nachtauge
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