Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
hatte Chade seinen Schlupfwinkel verlassen, außer, um seine ›diskrete Arbeit‹ zu tun. Jetzt war er auf sich allein gestellt, El allein weiß, was er zu unternehmen versuchte, und dabei waren ihm Edels Häscher auf den Fersen. Ich rieb mir die schmerzende Stirn. All dieses Grübeln war sinnlos, aber ich konnte nicht damit aufhören.
In der Stille hörte ich Bretter knarren, dann jemanden leichtfüßig die Leiter vom Heuboden hinuntersteigen und die letzte Sprosse überspringen. Wahrscheinlich eins der Mädchen auf dem Weg zum Abort. Doch einen Augenblick später hörte ich Immes Stimme flüstern: »Cob?«
»Ja, was ist?«, fragte ich ungehalten.
Sie wandte sich in die Richtung meiner Stimme, und ich hörte sie näher kommen. Das Zusammensein mit dem Wolf hatte meine Sinne geschärft. Ein wenig Mondlicht sickerte von draußen durch einen Spalt im Fensterladen, und so konnte ich in der Dunkelheit die Umrisse ihrer Gestalt erkennen. »Hier drüben«, sagte ich, als sie zögerte. Ich sah, wie sie zusammenzuckte, weil meine Stimme so dicht neben ihr ertönte. Sie tastete sich bis in meine Ecke und setzte sich zu mir ins Stroh.
»Ich habe Angst, wieder einzuschlafen«, erklärte sie. »Alpträume.«
»Ich weiß, wie das ist.« Am Tisch in der Schankstube hatte sie mich sehr geärgert, aber jetzt empfand ich Mitleid mit ihr. »Sobald man die Augen schließt, ist man wieder gefangen.«
»Ja.« Sie schwieg und wartete ab.
Ich wusste nichts weiter zu sagen und saß stumm in meiner Ecke.
»Was für Alpträume hast du denn?«, fragte sie mich schließlich.
»Schlimme«, sagte ich trocken und legte keinen Wert darauf, die bösen Geister zu beschwören, indem ich sie beim Namen nannte.
»Ich träume, dass Entfremdete mich jagen, aber meine Beine sind plötzlich schwer wie Blei, und ich kann nicht weiterlaufen. Dennoch versuche ich es mit aller Kraft, während sie näher und näher kommen.«
Ich nickte. Das war immer noch besser, als unaufhörlich und gnadenlos geschlagen zu werden. Ich hielt meine weiteren Gedanken daran zurück.
»Man fühlt sich sehr einsam, wenn man nachts in Angst aufwacht.«
Ich glaube, sie will sich mit dir paaren. Werden sie dich so einfach in ihr Rudel aufnehmen?
»Wie?«, fragte ich verblüfft, aber es war das Mädchen, das antwortete, nicht Nachtauge.
»Ich sagte, man fühlt sich einsam, wenn man nachts aufwacht und sich fürchtet. Man möchte beschützt sein, geborgen.«
»Ich kenne nichts, das einen Menschen vor seinen eigenen Träumen bewahren kann«, antwortete ich steif. Wenn sie nur endlich verschwinden würde.
»Ein wenig Zärtlichkeit vermag manchmal vieles«, sagte sie leise. Sie tastete nach meiner Hand, unwillkürlich zog ich sie zurück.
»Bist du schüchtern, kleiner Schreiberlehrling?«, fragte sie kokett.
»Ich habe gerade erst meine Liebste verloren«, bekannte ich offen. »Mir ist noch nicht danach, sie durch eine andere zu ersetzen.«
»Ich verstehe.« Sie stand auf und schüttelte die Strohhalme von ihrem Rock. »Es tut mir leid, dass ich dich gestört habe.« Das hörte sich gekränkt an und nicht wie eine Entschuldigung.
Ohne ein weiteres Wort tastete sie sich zur Leiter zurück. Ich wusste, ich hatte sie gekränkt, aber ich fühlte mich nicht schuldig. Sie stieg langsam nach oben, als erwartete sie, dass ich sie zurückrief. Ich schwieg. Hätte ich doch bloß nicht meiner Laune nachgegeben, in dieser Stadt menschliche Gesellschaft zu suchen.
Ich habe dich gewarnt. Die Jagd ist schlecht in der Nähe dieser vielen Menschen. Wirst du noch länger bei ihnen bleiben?
Ich fürchte, ich muss schon ein paar Tage mit ihnen wandern, wenigstens bis zum nächsten Ort.
Du wolltest dich nicht mit ihr paaren. Sie gehört nicht zum Rudel. Weshalb musst du diese Dinge tun?
Ich versuchte nicht, es für ihn in Worte zu fassen. Alles, was ich ihm vermitteln konnte, war ein Gefühl von Verantwortung, und er konnte nicht begreifen, dass meine Treue zu Veritas mich verpflichtete, diesen Reisenden beizustehen. Sie waren mein Volk, weil sie zum Volk meines Königs gehörten. Mir selbst kam diese Begründung beinahe lächerlich dürftig vor, aber so war es nun einmal. Ich würde alles daransetzen, dass sie wohlbehalten die nächste größere Ansiedlung erreichten.
Obwohl ich in jener Nacht doch wieder einschlief, fand ich keinen erholsamen Schlaf. Es war, als hätte das kurze Gespräch mit Imme meinen Alpträumen Tür und Tor geöffnet. Kaum war ich eingenickt, als ich das
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