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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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die Sprache der Tiere ermöglicht, bis er dann allerdings bald selbst kaum mehr als ein Tier ist. Meine Studien der Fakten und Gespräche mit Fachkundigen haben mich allerdings zu einem anderen Schluss geführt. Die Alte Macht scheint eine Form von geistiger Verbundenheit zu sein, gewöhnlich mit einem bestimmten Tier, die ein Verständnis der Gedanken und Empfindungen dieses Tieres ermöglicht. Sie verleiht hingegen keineswegs die Fähigkeit, mit einfachem Vieh, den Vögeln und den Fischen zu reden. Ein mit der Alten Macht Begabter ist sich in besonderem Maße des Lebens in seiner ganzen Vielfalt bewusst, dazu gehören auch die Menschen und sogar einige der besonders mächtigen und alten Bäume, doch vermag er nicht jedes beliebige Tier in eine ›Unterhaltung‹ zu verwickeln. Er ist imstande, die Nähe eines Tieres zu spüren und vielleicht zu erkennen, ob es misstrauisch, feindselig oder neugierig ist, aber er besitzt nicht Gewalt über die vierfüßigen Geschöpfe im Wald und auf der Flur oder den Vögeln unter dem Himmel, wie fantasievolle Fabeln uns glauben machen wollen. Man kann es vielleicht so ausdrücken: Die Alte Macht öffnet einem Menschen die Augen für das Tierhafte in sich selbst und damit auch für das Menschliche in der Natur des Tieres. Die legendäre Treue eines Tieres zu seinem verschwisterten Menschen ist nicht die Anhänglichkeit eines Hundes gegenüber seinem Herrn, sondern beide, Mensch und Tier, sind sich in gegenseitiger Freundschaft verbunden, und in diesem Bund zählt keiner geringer als der andere.
     
    Ich schlief unruhig und das nicht nur, weil ich nicht mehr daran gewöhnt war, Mauern um mich herum zu haben und ein Dach über dem Kopf. Was ich über die Entfremdeten auf den Straßen gehört hatte, machte mir zu schaffen. Die Musikanten kletterten auf den Scheunenboden hinauf, um sich dort in einem weichen Heubett schlafen zu legen, ich aber suchte mir eine Ecke, wo ich Rückendeckung hatte und die Tür im Blick. Es war ein seltsames Gefühl, wieder einmal eine Nacht in einer Scheune zu verbringen. Diese hier war ein fester Bau, errichtet aus Flussgestein und Mörtel und Balken. Der Wirt hielt eine Kuh und eine Schar Hühner neben seinen Mietpferden und der Verpflegung von den Tieren der Gäste. Die mir seit meiner Kindheit vertrauten Laute und Gerüche, würziger Heuduft, raschelndes Stroh, weckten sehnsüchtige Erinnerungen an Burrichs Ställe. Plötzlich empfand ich ein brennendes Heimweh.
    Wie mochte es Burrich gehen? Wusste er von Philias Opfern? Ich dachte an die Liebe, die sie einst füreinander empfunden hatten, und wie sie an Burrichs Auffassung von Pflicht und Ehre gescheitert war. Philia hatte sich danach meinem Vater anvermählt, eben jenem Mann, dem Burrichs Treue gehörte. Ob er je daran gedacht hatte, zu ihr zu gehen und sie zurückzugewinnen? Nein. Ich wusste es sofort und ohne jeden Zweifel. Chivalrics Geist würde ewig zwischen ihnen stehen - und jetzt auch noch der meine.
    Von diesen Grübeleien war es nicht weit bis zu dem Gedanken an Molly. Sie hatte für uns die gleiche Entscheidung getroffen wie Burrich für Philia und sich. Molly hatte mir vorgeworfen, ich würde immer meinen König über alles andere stellen und deshalb könne es keine gemeinsame Zukunft für uns geben. Sie hätte dann jemanden gefunden, den sie lieben konnte, wie ich Veritas liebte. Ihre Entscheidung hatte mir das Herz gebrochen. Das einzig Gute daran war, dass sie ihr das Leben gerettet hatte. Molly hatte mich verlassen. Sie war nicht in Bocksburg gewesen, um meinen Sturz und meine Demütigung mitzuerleben.
    Ich tastete mit der Gabe nach ihr, doch als es mir zu Bewusstsein kam, machte ich mir selbst heftige Vorwürfe. Wollte ich sie heute Nacht wirklich sehen, während sie als Eheweib in den Armen eines anderes Mannes schlief und vielleicht bald Mutter seiner Kinder wurde? Bei dem Gedanken durchfuhr mich ein schmerzhafter Stich. Ich hatte kein Recht, ihr neu geschaffenes Glück zu belauschen. Noch als ich langsam in den Schlaf fand, dachte ich immer noch an sie und sehnte mich hoffnungslos nach unserer vergangenen Liebe.
     
    Um mich herum spürte ich die nebelhaften Träume der schlafenden Tiere. Überall herrschte nächtlicher Friede, nur ich fand keine Ruhe. Gedanken an Chade stiegen in mir auf und quälten mich. Er war längst ein alter Mann. Als König Listenreich noch lebte, hatte er dafür gesorgt, dass es seinem Assassinen, der auch sein Halbbruder war, an nichts fehlte. Nur selten

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