Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
Und sie nahmen sich diese Küste, Hafen um Hafen, ein Dorf nach dem anderen, während der selbsternannte König sich in Burg Fierant verkroch. Ich war Teil dieses unerbittlichen Kampfes gewesen, als ich noch an Bord der Rurisk gegen die Schiffe der Piraten ausfuhr, doch während der vergangenen Monate war ich weit entfernt vom Kriegsgeschehen und von Nachrichten abgeschnitten gewesen und hatte die Menschen vergessen, die mit dem Schrecken leben mussten. Ich war im Grunde nicht weniger gleichgültig gewesen als Edel.
Ich erwachte, als der Abend seinen grauen Schleier über Fluss und Ebene breitete. Auch wenn ich mich elend und zerschlagen fühlte, war es eine Erlösung aus der bedrückenden Traumwelt aufgewacht zu sein. Ich setzte mich auf und schaute mich um. Nachtauge war nicht wiedergekommen. Ich spürte kurz zu ihm hin. Mein Bruder , begrüßte er mich, doch mir schien, dass er sich gestört fühlte. Er schaute den beiden Welpen zu, die miteinander herumtollten. Traurig zog ich mich wieder in mich selbst zurück. Die Kluft zwischen unseren beiden Leben war plötzlich zu groß, um sie zu überbrücken. Die Roten Korsaren, die Entfremdungen und Edels Intrigen, sogar mein Plan, Edel zu töten, waren auf einmal hässliche Menschendinge, die ich dem Wolf aufgezwungen hatte. War es etwa richtig, dass solche Scheußlichkeiten sein Leben beherrschten? Er war jetzt dort, wo er hingehörte.
Auch wenn es mir nicht gefiel, die Aufgabe, die ich mir gestellt hatte, war ausschließlich meine eigene Angelegenheit.
Ich versuchte, Nachtauge loszulassen. Dennoch blieb da ein hartnäckiger Funke Hoffnung. Er hatte gesagt, er würde zu mir zurückkommen, doch wenn er es tat, dann nur aus freien Stücken. Ich würde ihn nicht zu mir rufen. Als ich mich wieder auf den Weg machte, sagte ich mir, falls Nachtauge seines Abenteuers doch überdrüssig werden sollte, konnte er mich immer noch leicht einholen. Der unermüdliche Trab eines Wolfes vermag die Meilen aufzufressen wie nichts anderes; außerdem kam ich ohne ihn und allein nicht sonderlich schnell voran. Seine Nachtsicht fehlte mir.
Dann erreichte ich eine Stelle, wo die Uferböschung sich senkte und der Boden in Morast überging. Sollte ich auf gut Glück weitermarschieren oder das Sumpfgebiet umgehen, das sich, soviel ich wusste, meilenweit erstrecken konnte? Schließlich entschied ich mich dafür, so dicht am Fluss zu bleiben wie nur möglich, - eine Entscheidung, die mich jedoch mit einer ziemlich üblen Nacht bestrafen sollte. Ich arbeitete mich durch ein nicht enden wollendes Dickicht aus Schilf, Rohrkolben und Sumpfbinsen, stolperte über das verschlungene Wurzelwerk, holte mir nasse Füße und wurde von hungrigen Mückenschwärmen verfolgt.
Was konnte das nur für ein Dummkopf sein, fragte ich mich selbst, der auf die glanzvolle Idee kam, im Dunkeln ein unbekanntes Sumpfgebiet zu durchqueren? Es geschah mir nur recht, wenn ich in ein Schlammloch geriet und versank. Über mir nur Himmel, Mond und Sterne, um mich herum eine Wand aus Röhricht, nur zu meiner Rechten sah ich ab und zu durch die Binsen den Fluss aufglänzen. Verbissen stapfte ich weiter, und auch als es hell wurde, machte ich nicht Halt. Kleine, einblättrige Pflanzen mit Schwimmwurzeln klebten an meiner Hose und den Schuhen, und ich war am ganzen Körper von Mücken zerstochen und von den scharfhalmigen Gräsern zerschnitten. Weil sich kein einladender Platz zum Rasten fand, aß ich im Gehen von meinem Vorrat an Dörrfleisch. Fest entschlossen, diesem Ort wenigstens noch etwas Gutes abzugewinnen, sammelte ich Wurzelstöcke von Binsen. Es war bereits nachmittags, als das Flussufer allmählich wieder anstieg und der Boden fester wurde. Trotzdem zwang ich mich, noch ungefähr eine Stunde weiterzugehen, bis ich auch die letzten Stechmücken und Schnaken hinter mir gelassen hatte. Bevor ich mich dann endlich zum Schlafen ausstreckte, spülte ich mir noch den grünlichen Schlamm und Modder von Hose, Schuhen und Haut.
Irgendwo an einem anderen Ort wartete Nachtauge in aller Stille darauf, bis sich das magere Weibchen ihm langsam näherte. Er ließ sich auf den Bauch sinken, rollte dann zur Seite, um sich danach mit angezogenen Pfoten auf den Rücken zu legen und seine ungeschützte Kehle zu zeigen. Sie blieb stehen, setzte sich hin und betrachtete ihn. Er winselte leise. Sie legte die Ohren zurück, fletschte die Zähne, warf sich herum und galoppierte davon. Nach einer Weile stand Nachtauge schließlich auf und
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