Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
ich von ihm dachte.
Mollys Augen verengten sich, und es war an mir, zurückzuweichen: »Was hätte ich zu ihm sagen sollen? ›Nein, edler Herr, ich kann Eure Großzügigkeit nicht annehmen, bis Ihr geruht, mich zu Eurer Gemahlin zu nehmen?‹ Zwischen Edel und mir ist nicht das, was zwischen uns ist. Dieser Ohrschmuck war eine Anerkennung von einem Kunden, eine Geste gegenüber einem tüchtigen Handwerker. Was glaubst du, wes halb er ihn mir gegeben hat? Als Bezahlung für meine Gunst?«
Wir starrten uns gegenseitig an, und nach einer Weile brachte ich über die Lippen, was sie beinahe als Entschuldigung anzunehmen bereit war. Dann zerstörte ich diesen unsicheren Frieden wieder, indem ich sagte, möglicherweise hätte er ihr das Geschenk nur gemacht, weil er wusste, er könnte mich damit treffen. Natürlich fragte sie, woher Edel von uns wissen sollte, und wäre meiner Meinung nach ihre Arbeit so unbedeutend, dass eine Anerkennung wie diese Ohrringe ihr nicht zustand? Was bleibt darüber zu sagen, als dass wir da nach den Bruch zwischen uns kitteten, so gut es nur ging. Doch was einmal zerbrochen ist, wird nicht wieder heil, und ich kehrte mit demselben Gefühl von Einsamkeit zum Schiff zurück, als wäre ich gar nicht bei ihr gewesen.
Immer öfter, wenn ich am Ruder saß und mich bemühte, an rein gar nichts zu denken, ertappte ich mich dabei, dass ich Philia und Lacey vermisste, Chade, Kettricken oder sogar Burrich. Die wenigen Male, die ich während dieses Sommers Gelegenheit gefunden hatte, unsere Kronprinzessin zu besuchen, traf ich sie stets in ihrem Dachgarten an. Dort grünte und blühte es inzwischen, aber trotz ihrer Bemühungen, dem alten Zustand möglichst nahezukommen, war es ein Ort mit ganz eigenem Charakter. Sie war zu sehr von ihrer Bergheimat geprägt, um sich je vollständig dem Wesen unseres Volkes anzupassen. Ihre Auswahl der Pflanzen, die Zusammenstellung und Gestaltung war von überlegter Schlichtheit. Steinbrocken unterschiedlicher Größe dienten zur Dekoration wie auch bizarr geformte und vom Salzwasser gebeizte Stücke Treibholz. Ich hätte dort im Garten in Ruhe meditieren können, doch vermutlich war es trotz allem nicht die lauschige Oase, an die Veritas sich erinnerte und wo er sich einst im warmen Sommerwind entspannt hatte. Obwohl der Garten Kettricken viel Freude bereitete, hatte er ihr nicht - wie erhofft - geholfen, ihrem Gemahl näherzukommen. Sie war so schön wie immer, doch über ihren blauen Augen lag ständig ein Schleier von Geistesabwesenheit und Kummer. Meistens war ihre Stirn nachdenklich gerunzelt, und wenn sich ihr Gesicht einmal entspannte, sah man die weißen Linien auf der Haut, die von der Sonne unberührt blieben. Bei meinen Besuchen geschah es häufig, dass sie ihre Frauen wegschickte, um mich dann so gründlich über die Fahrten der Rurisk auszufragen, als wäre sie Veritas selbst. War ich dann zu Ende mit meinem Bericht, presste sie die Lippen zusammen und schaute mit starrem Blick über die Mauerkrone hinweg zum Horizont, wo Meer und Himmel sich trafen. An einem Tag schon etwa gegen Ende des Sommers, als sie sich wieder in dieser Stimmung befand, trat ich zu ihr und bat um Urlaub, weil ich zu meinem Schiff zurückkehren wollte. Sie schien meine Frage gar nicht zu hören. Statt zu antworten, sagte sie leise: »Es muss eine endgültige Lösung geben. So kann es auf Dauer nicht weitergehen. Es muss einen Weg geben, diesem unerträglichen Zustand ein Ende zu machen.«
»Bald werden wir Ruhe haben, Hoheit. Schon hat der Frost einige Eurer Kletterpflanzen berührt. Friert es erst, sind die Herbststürme nicht mehr weit, und das bedeutet Frieden für uns.«
»Frieden? Ha!« Sie stieß einen verächtlichen Laut aus. »Ist es Frieden, wachzuliegen und zu fragen, wer als Nächster sterben wird, wo sie nächstes Jahr zuschlagen werden? Das ist nicht Frieden. Das ist Folter. Es muss einen Weg geben, mit den Roten Schiffen ein Ende zu machen, und ich habe vor, ihn zu finden.«
Fast hörte es sich an wie eine Drohung.
KAPITEL 17
ZWISCHENSPIELE
I hre Knochen waren aus Stein gebildet, aus dem dem glitzernden, geäderten Fels der Berge. Ihr Fleisch war aus den schimmernden Salzen der Erde, doch ihre Herzen waren aus den Herzen der Weisen erschaffen. Sie kamen von weit her, diese Männer, einen langen und ermüdenden Weg. Sie zögerten nicht, das Leben von sich abzutun, das ihnen eine Last geworden war. Sie endeten ihre Tage und wurden Geschöpfe der Ewigkeit, sie
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